Die drei Steine der Macht
musterte die Wache Max von oben bis unten. Max drehte sich unsicher zu den anderen um, die immer noch an der Stelle standen, wo sie Halt gemacht hatten. Sie zuckten aber nur ratlos mit den Schultern. Als Max sich der Wache wieder zuwandte, zog diese gerade an einem Seil, das in einer Nische verborgen war.
„Wartet hier, es wird jemand kommen.“
Max nickte und ging zu den anderen zurück. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis sich das Tor einen Spalt öffnete und das Fallgitter soweit hochgezogen wurde, dass ein hochgewachsener Mann bequem darunter durchgehen konnte. Ein weiß gekleidetes Mädchen von etwa zwölf Jahren trat heraus.
„Kommt, die Weise Magna erwartet euch.“
Sie gingen durch das Tor in den Burghof. Stille umgab sie. Es war keine Menschenseele zu sehen. Anemone rückte näher an Max heran, als sie dem Mädchen folgten.
„Auf einem Friedhof ist mehr los. Wo sind denn alle?“, fragte er Anemone leise.
An ihrer Stelle antwortete das Mädchen, das offenbar sehr gute Ohren hatte. Sie ließ sich ein wenig zurückfallen, bis sie mit ihnen auf gleicher Höhe ging.
„Die Burg ist schon seit 1000 Jahren nicht mehr bewohnt. Ein Teil der Armee, die dem Senat untersteht, ist im Ostflügel stationiert. Der große Saal wird vom Senat für seine Sitzungen genutzt. Ansonsten trifft man nur noch Handwerker an, welche die Burg in Stand halten. Die Weise Magna hat ihre Gemächer im Felsen unterhalb der Burg, über der heiligen Grotte der drei Steine. Hier entlang, bitte.“
Das Mädchen hatte dies in einem Ton erzählt, als ob sie eine Besichtigungstour durch die Burg machen wollten.
Sie überquerten den großzügigen Hof und betraten das Burginnere. Über mehrere Treppen und schmale Gänge führte das Mädchen sie immer tiefer in den Berg. Schließlich öffnete sich der Gang zu einem großen Raum. Er war mit Lampen, die an den Wänden hingen, mäßig erhellt. Die Lüftungsschlitze zeigten, dass sie sich tief im Felsen befanden. Ihnen gegenüber saß eine sehr alte Frau auf einer Art Thron. Max hatte sie sich in etwa auch so vorgestellt. Alt, verrunzelt, weiße Haare, langes Kleid.
„Willkommen Fremder, ich habe auf dich gewartet“, sagte sie mit einer vollen, tiefen Stimme, die nicht recht zu ihrer Erscheinung passen wollte.
Max schaute sich um, ob sie vielleicht jemand anderen meinte. Aber außer ihnen war niemand weiter im Raum. Das Mädchen hatte sich zurückgezogen.
„Äh, ach ja?“
Max war ein wenig verwirrt. War es jetzt gut oder schlecht, dass sie wusste, dass er nicht von dieser Welt war? Ihn beschlich ein eindeutig ungutes Gefühl.
„Ich warte seit hundert Jahren auf dich!“, sagte sie.
„Dafür hat sie sich aber noch ganz gut gehalten“, schoss es Max durch den Kopf.
„Das ist eine lange Zeit“, meinte er in dem Versuch höflich zu sein.
Allerdings wurde ihm immer unheimlicher zumute. Nach der Art und Weise zu urteilen, wie sich Anemone an seinen Arm klammerte, ging es ihr auch nicht besser. Er hatte gehofft, hier eine einfache Lösung für sein Problem zu finden, aber das Gefühl, dass die Probleme erst richtig losgingen, wurde immer stärker.
Die Weise Magna schaute ihn mit unbewegtem Gesicht an. Ihr Blick war hypnotisierend und zog Max in seinen Bann. Während er sie anstarrte, stellte er fest, dass sie ganz schwarze Augen hatte, als ob die Pupillen so groß waren, dass sie die Iris völlig verschluckten. Und irgendwie waren diese Augen tot, völlig ohne Gefühl.
Max lief ein Schauer über den Rücken. Las sie vielleicht seine Gedanken? Max schüttelte innerlich den Kopf. So etwas gab es nicht, schalt er sich selbst. Mühsam löste er den Blick von ihren Augen und richtete ihn auf seine Hände, die sich vor seinem Bauch verknoteten.
„Äh, eigentlich wollte ich Sie fragen, ob Sie mir helfen können, wieder in meine Welt zurückzukehren“, brachte er schließlich hervor.
Wie unter Zwang richteten sich seine Augen wieder auf die Weise Magna.
„Das kann ich nicht, erst musst du deine Aufgabe erfüllen!“
Aufgabe? Max verstand nun gar nichts mehr. Was war das nur für ein dummes Spiel, und was hatte er darin zu suchen? In das Unwohlsein, das er empfand, schlich sich langsam Empörung.
„Was für eine Aufgabe?“, wollte er wissen.
Er sprach in einem recht scharfen Ton, so dass Anemone erschrocken die Luft einsog und Mimbelwimbel ihn stirnrunzelnd ansah. Die Weise Magna schien seine wachsende Aufregung nicht zu stören.
„Du musst die drei Steine finden und
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