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Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Titel: Die drei Stigmata des Palmer Eldritch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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absichtlich – verraten.
    Andernfalls, überlegte er, wäre es womöglich ewig so weitergegangen.
    Und ich hätte, wie Eldritch sagte, hundert Jahre in diesem Pseudo-Universum zugebracht.
    Mein Gott, dachte er. Ich bin geliefert. »Miss Fugate«, sagte er, »stehen Sie hier nicht unnütz herum; gehen Sie in Ihr Büro zurück.« Er stand auf, ging zum Wasserbehälter und füllte einen Pappbecher mit Mineralwasser. Unechtes Wasser für einen unechten Körper, dachte er. Vor einer unechten Angestellten. »Miss Fugate«, sagte er, »sind Sie wirklich Mr. Mayersons Geliebte?«
    »Ja, Mr. Bulero«, erwiderte Miss Fugate und nickte. »Das habe ich Ihnen doch gesagt.«
    »Und ich konnte nicht bei Ihnen landen.« Er schüttelte den Kopf. »Weil ich zu alt und zu evolviert bin. Wie Sie vielleicht – vielleicht aber auch nicht – wissen, habe ich in diesem Universum zumindest begrenzte Macht. Ich könnte meinen Körper gründlich überholen, mich verjüngen.« Oder, dachte er, dich altern lassen. Wie würde dir das gefallen? Er trank das Wasser aus und warf den Becher in den Müllschlucker; ohne Miss Fugate eines Blickes zu würdigen, beschloß er: Du bist in meinem Alter, Schätzchen. Wenn nicht älter. Mal sehen; du bist jetzt um die Zweiundneunzig. In dieser Welt zumindest; hier bist du gealtert ... ich habe dir die Zeit gestohlen, weil du mir einen Korb gegeben hast und ich nur ungern einen Korb bekomme. Eigentlich, sagte er sich, bist du sogar über hundert, verschrumpelt, saftlos, ohne Zähne, ohne Augen. Ein Ding.
    Hinter ihm ertönte ein trockener Krächzlaut, ein heiserer Atemzug. Und eine schrille, zitternde Stimme, wie der Schrei eines erschreckten Vogels. »Ach, Mr. Bulero ...«
    Ich hab’s mir anders überlegt, dachte Leo. Du siehst wieder genauso aus wie vorher; ich nehme alles zurück. Er drehte sich um und erblickte Roni Fugate oder besser jenes Etwas, das dort stand, wo sie zuletzt gestanden hatte. Ein gräuliches Gewebe aus verschlungenen pilzartigen Spinnfäden, die eine zerbrechliche, schwankende Säule bildeten ... er sah den Kopf, mit eingefallenen Wangen und Augen wie tote Flecken aus zähflüssigem weißen Schleim, der langsam zu klebrigen Tränen zerfloß; Augen, die ihn vergeblich anzuflehen versuchten, weil sie ihn nicht erkennen konnten.
    »Sie sehen wieder genauso aus wie vorher«, befahl Leo und schloß die Augen. »Sagen Sie mir, wenn es vorbei ist.«
    Schritte. Die Schritte eines Mannes. Barney kam ins Büro zurück. »Um Gottes willen«, sagte Barney und blieb stehen.
    »Sieht sie noch nicht wieder aus wie vorher?« fragte Leo mit geschlossenen Augen.
    »Sie? Wo ist Roni? Was ist das?«
    Leo öffnete die Augen.
    Doch was er sah, war nicht Roni Fugate, nicht einmal eine alte Manifestation der jungen Frau; was er sah, war eine Pfütze, wenn auch keine aus Wasser. Die Pfütze lebte, und in ihr schwammen kleine, scharf gezackte graue Splitter.
    Der dickflüssige Brei lief stockend auseinander, bebte und zog sich dann wieder in sich zurück; die festen grauen Materieteilchen sammelten sich in der Mitte und verschmolzen zu einer unförmigen Kugel, an deren Scheitel wirre, verfilzte Haarsträhnen hafteten. Die Umrisse leerer Augenhöhlen zeichneten sich ab; was da Gestalt annahm, war eindeutig ein Schädel, doch schien er einer zukünftigen Lebensform zu gehören: Leos unbewußter Wunsch, sie eine schreckliche Evolution durchmachen zu lassen, hatte diese Monstrosität ins Leben gerufen.
    Die Kiefer klappten ruckartig auf und zu, als würden sie von scharfen, tiefsitzenden Drähten bewegt; der Schädel trieb in der Pfütze hin und her und krächzte: »Tja, Mr. Bulero, so alt ist sie leider nicht geworden. Aber daran haben Sie nicht gedacht.« Es war nicht Roni Fugates Stimme, sondern – undeutlich, doch unverkennbar – die der kleinen Monica; sie klang, als würde man mit einem gewachsten Bogen gegen eine tiefe Saite schlagen. »Sie haben sie die Hundert überschreiten lassen, dabei wird sie nur siebzig werden. Das heißt, sie ist seit dreißig Jahren tot; aber Sie haben sie zum Leben erweckt; das wollten Sie doch? Und was noch schlimmer ist« – der zahnlose Kiefer wackelte, und die leeren Augenhöhlen gähnten –, »sie hat nicht zu Lebzeiten evolviert, sondern dort unten in der Erde.« Der Schädel hörte auf zu quäken und löste sich nach und nach in seine Bestandteile auf; die Bruchstücke trieben auseinander, und die Unordnung war wiederhergestellt.
    »Bringen Sie uns hier raus, Leo«,

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