Die drei !!! - Tatort Filmset
Text. »Oh nein! Das ist ein Abschiedsbrief von Naomi!«
Ophelia
Marie gab den Brief an Franzi weiter. »Willst du ... vorlesen?«, brachte sie mühsam heraus. Franzi nickte.
Liebe Donna,
wenn du diese Zeilen liest, habe ich endlich alles hinter mir. Bitte verzeih mir! Du warst so lieb zu mir, du warst meine einzige Freundin in dieser schrecklichen Zeit. Aber ich konnte so nicht weiterleben, mit dem Wissen, dass ein grausamer Tumor mein Gehirn und mein eigener Mann unsere Ehe zerstört. Wie muss Friedrich mich hassen, dass er dazu fähig ist, mich umbringen zu wollen! Aber ich möchte jetzt nicht mehr über Friedrich sprechen. Ich möchte über uns sprechen. Erinnerst du dich an den Abschlussabend in der Schauspielschule, als wir Hamlet aufgeführt haben und du die Ophelia gespielt hast? Bestimmt erinnerst du dich daran, es war ja dein erster großer Erfolg. Schon damals ahnte ich, dass ich nie so gut sein würde wie du, egal wie sehr ich mich anstrenge. Nein, widersprich mir nicht! Beim Vorstadtwache-Dreh ist es mir noch mal so richtig klar geworden: Ich wäre immer eine mittelmäßige Schauspielerin geblieben, und das hat mich zermürbt... Jetzt habe ich schon wieder den Faden verloren, entschuldige! Also damals als Ophelia hattest du Seerosen auf deinem Kleid und Algen im Haar. Erst hast du deinen geliebten Hamlet verloren und dann wurde auch noch dein Vater ermordet. Du wurdest wahnsinnig und bist ins Wasser gegangen.
Ophelia war mir immer unheimlich. Ich hab sie nie verstanden. Ich dachte, es gibt immer ein Licht am Horizont und einen Ausweg. Donna, ich kann das Licht nicht mehr sehen! Um mich ist dunkle, schwarze Nacht, und sie hört einfach nicht auf. Ich halte das nicht aus. Ich werde noch verrückt, wie Ophelia ...
Verzeih mir, Donna, und vergiss mich nicht. Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Und ich hoffe so sehr, dass wir uns eines Tages Wiedersehen. Vielleicht erst im Jenseits, vielleicht aber auch früher, unten am Hafen.
Bis in alle Ewigkeit, deine Naomi
Franzis Hand zitterte so stark, dass sie den Brief fallen ließ. Er flatterte auf den Gehsteig und Marie bückte sich danach. Der Brief war kühl, aber er brannte unter ihren Fingern wie Feuer. »Naomi, sie will sich das Leben nehmen!«, flüsterte Kim. »Sie will ins Wasser gehen.«
Maries Kehle war so eng, dass sie das Gefühl hatte, zu ersticken. »Ich hätte es merken müssen, dass es Naomi so schlecht geht!« Energisch richtete sie sich auf. »Wir müssen Naomi retten!« Franzi riss Marie den Brief aus der Hand. »Naomi hat bestimmt nicht zufällig den Hafen erwähnt! Damit wollte sie Donna wahrscheinlich einen Hinweis geben, eine allerletzte Möglichkeit, sie zu retten. Naomi ist hinunter zum Hafen gegangen.«
»Zum Hafen?«, wiederholte Marie. »Ja, klar! Aber dort fängt doch gleich unser Dreh an.« In der ganzen Aufregung hatte sie nicht mehr daran gedacht, dass sie in weniger als einer Stunde als sensationslüsterne Tina vor der Kamera stehen sollte.
»Wie kannst du jetzt noch an den Dreh denken!« Kim sah Marie entrüstet an. »Wir müssen Naomi retten, das ist tausendmal wichtiger. Wir brauchen Unterstützung von der Polizei, und Naomis Mann müssen wir auch sofort Bescheid geben.« Marie wusste, dass Kim recht hatte, aber es zerriss ihr das Herz. Auf diese Chance hatte sie so lange gewartet. Ihre erste Fern-seh-Rolle, an der Seite ihres Vaters, in der Vorstadtwache . Der erste Schritt zum ganz großen Ruhm, und darauf sollte sie einfach verzichten?
»Los, komm endlich, Marie!«, drängte Franzi, die mit Kim gerade die Räder aufschloss.
Die Sterne am Himmel funkelten wie Diamanten. Marie schossen Tränen in die Augen. So fühlte es sich also an, wenn ein wunderschöner Traum zerplatzte. Aber sie hatte keine Wahl, sie musste ihren Traum begraben und um Naomis Leben kämpfen. Marie wischte sich Tränen und Wimperntusche von den Wangen. Dann rannte sie zu ihrem Rad hinüber.
Kim saß schon auf dem Sattel, ihr Handy in der Hand, und wählte ein zweites Mal an diesem Abend die Nummer von Kommissar Peters. »Hallo?«, sagte sie atemlos. »Ich bin’s wieder, Kim. Vergessen Sie die Smoothie-Flasche. Sie müssen sofort zum Hafen kommen. Es geht um Leben und Tod.« Kommissar Peters war noch nie ein großer Redner gewesen. Diesmal beschränkte er sich auf zwei Worte: »Sind unterwegs!« »Danke!«, sagte Kim, legte auf und rief in der Klinik des Professors an.
Jetzt wünschte Marie sich wirklich, sie wäre ein
Weitere Kostenlose Bücher