Die drei ??? und das Bergmonster
graulten uns gegenseitig halb tot mit Geschichten, wie furchtbare Monster nachts bei Vollmond hervorkommen und um die Häuser schleichen und Einlaß suchen. Ein alter Trapper hat mal hier gewohnt, und er konnte schwören, daß er im Schnee oben beim Gletscher die Fußspuren eines riesenhaften Mannes gefunden hatte. Abdrücke von bloßen Füßen, sagte er. Das war schön blöd. Wenn da oben einer barfuß rumlaufen wollte, dem würden ja alle Zehen abfrieren.«
»Hört sich an, als hätten Sie das Gruseln richtig genossen«, sagte Peter.
»Oh, es machte uns allen Spaß, aber wenn es dunkel war, blieb keiner von uns draußen. Komisch. Man sollte fast meinen, der Einsiedler hätte diese Geschichten schon gekannt und sich von ihnen anstecken lassen, aber so war es gar nicht.«
»Ein Einsiedler?« Bob setzte sich auf einen Felsbrocken neben dem Picknicktisch. »Erst Monster und nun noch ein Einsiedler. Sie hatten ja eine recht spannende Kindheit.«
»Oh, den Einsiedler gab es hier noch nicht, als ich klein war«, sagte Richardson. »Der kam erst vor drei . . . nein, vor vier Jahren hier angewandert. Er kam zu Fuß von Bishop raufgestiegen, mit einem Bündel auf dem Rücken – ein junger Mann, vielleicht fünfundzwanzig oder dreißig. Es war Sommer, als er kam, und es waren nicht allzu viele Leute in der Gegend, und als ich ihn da mitten auf der Straße stehen und dumm gucken sah, fragte ich ihn, was er suche. Er sagte, er suche einen guten Platz zum Meditieren. Ich erklärte ihm, daß wir hier in Sky Village keine Kirche haben, aber das meinte er nicht. Er suchte einen Ort, wo er sich hinsetzen und sein Be-wußtsein mit dem All vereinigen konnte. Das hörte sich unverfänglich an, also sagte ich ihm, er könnte es mit der Wiese über dem Skihang versuchen. Dort geht im Sommer kaum einer hin. Ich hatte gedacht, er ginge für einen Nachmittag hinauf und würde sich hinsetzen und mal gründlich nach-denken, aber da hatte ich mich geirrt. Ging der doch tatsächlich rauf auf den Berg und baute sich da eine kleine Hütte! Er kaufte im Dorf Bauholz und Dachpappe und ein paar Nägel, aber niemals irgendwas zum Essen. Muß wohl von Beeren gelebt haben wie die Bären oder von Nüssen wie die Eichhörnchen.«
»Zurück zur Natur, was?« sagte Bob. »Und was ist aus ihm geworden?«
»Na«, sagte Charlie Richardson. »Ich persönlich finde, es macht einen Mann wirr im Kopf; wenn er so viel allein ist.
Der junge Einsiedler redete mit keinem Menschen, und wenn jemand den Berg heraufkam, schloß er sich in seiner Hütte ein. Das hat er drei Monate lang ausgehalten. Dann kam er eines Tages runter und raste wie wild durchs Dorf. Ich hab’
ihn nicht gesehen, aber Jeff, der im Supermarkt aushilft, sagte, der Kerl hätte was von einer Schreckgestalt auf der Wiese geschrien. Und gleich darauf sah ihn Jeff nur noch von hinten, wie er die Straße nach Bishop runterflitzte.«
Peter erschauerte unwillkürlich. »Und Sie haben ihn nie mehr gesehen?« fragte er.
»Keine Spur von ihm«, sagte Richardson.
Justus Jonas schaute zu den Berggipfeln auf, die vor ihnen aufragten. »Monster«, sagte er. »Mir ist nicht klar . . .«
Richardson schnaubte verächtlich und setzte sich aufrecht hin.
»Gebt nicht zuviel auf solche Geschichten«, sagte er. »Der Bursche in seiner Einsamkeit da oben mußte ja mit der Zeit Geister sehen. Würde jedem so gehen. Tut keinem gut, so allein zu hausen.« Er stand auf. »Wenn ihr hier draußen zelten wollt, dann bitte. Macht euch keine Sorgen über Bergmonster, und die Bären lassen euch in Frieden, wenn ihr sie nicht stört. Ihr solltet nur nichts Eßbares rumliegen lassen.«
Er warf sich seinen Sack über die Schulter und ging auf den Weg zu, der nach Sky Village zurückführte. Am Rand des Zeltplatzes blieb er noch einmal stehen und wandte sich um mit der Warnung: »Und verschandelt mir die Natur nicht mit Abfall!«
»Bestimmt nicht«, versprach Bob.
Der Tankwart stampfte den Weg entlang. Nach ein paar Minuten war er außer Sicht.
»Monsterberg«, sagte Bob. »Das sind doch bloß Märchen, die die Großen den Kindern erzählten, damit sie brav folgten.
Hier kann es keine Ungeheuer geben. Die Sierra ist schließlich nicht der Himalaya. In den Bergen hier ist doch seit eh und je alles erschlossen – erst Pfade für Tragtiere, jetzt Wege für Wanderer und Campingfreunde –«
»Eben nicht überall«, unterbrach ihn Justus. »Das Bergland hier ist sehr weitläufig. Es muß viele unwegsame Gebiete geben,
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