Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
ohne Gefahr ein Kind zu haben, seid Ihr noch zu jung und niedlich. Ihr seid noch zu eng verschlossen, es würde Euch töten. Aber wollt Ihr ein fertiges kaufen? Ihr würdet davon weder Mühe noch Schmerzen haben.«
»Ich will aber Mühen und Schmerzen davon haben!« rief sie. »Nur so wird es das meinige. Ich weiß, daß es von mir kommen muß, da es im Ave-Maria heißt: Benedictus est fructus ventris tui ... Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes.«
»So lasset uns zu Gott beten«, sprach der Seneschall, »daß er es also füge, und eine Wallfahrt geloben zur Mutter Gottes von Amorbach. Manche Dame hat dort empfangen, indem sie die neuntägige Andacht nach Vorschrift gehalten; es wird Euch gewiß auch nicht fehlen.«
Und noch an demselben Tage machte sich Blancheflor mit großem Gefolge auf, um zu Notre-Dame von Esgrignolles zu wallen. Sie war umgeben wie eine Königin von all ihrem Volk, ritt auf einem weißen Zelter und trug ein Kleid von grünem Samt mit goldenen Schnüren, das die Brust frei ließ und dessen weite Schleppärmel gefüttert waren mit karminroter Seide. An den Füßen trug sie golddurchwirkte Schuhe und auf dem Haupte eine spitze Haube, die von Edelsteinen funkelte. Ein goldener Gürtel blitzte um ihre geschmeidigen Lenden.
Die junge Frau war so schlank und biegsam wie eine Weide, sie hatte sich so kostbar geschmückt, weil sie ihre ganze Ausrüstung der Heiligen Jungfrau vermachen wollte. Am Tage ihres ersten Kirchgangs wollte sie ihr alles übergeben.
Der Junker von Montsoreau ritt voran, sein Auge blitzte wie das eines Bussards; mit seinen Reitern drängte er das Volk beiseite und wachte über die Sicherheit der Reise. Bei Marmoustiers war der gute Seneschall bereits eingeschlafen; denn es war zur Zeit der Ernte und eine große Hitze. So wacklig saß er auf seinem Streitroß wie eine Königskrone zwischen den Hörnern einer Kuh. Alles verwunderte sich, ein so jungheiteres Ding von Dame neben dem alten Kahlkopf zu sehen, und ein junges Bauernweib, das am Fuße eines Baumes kauerte und aus einem Steinkrug Wasser trank, rief einer zahnlosen alten Vettel zu, die in der Nähe Ähren auflas: »Ist es nicht«, lachte sie, »als ob die schöne Prinzessin dort mit dem Tode zur Hochzeit reite?«
»Nein«, antwortete die Alte, »das ist unsre Herrin von La Roche-Corbon, die Seneschallin von Touraine und Poitou, die um ein Kind wallfahrten geht.« »Oh, oh!« rief die Bauerndirne und lachte wie eine Mücke, die eben der Mückerich verlassen hat. »Aber der dort«, fügte sie hinzu, indem sie mit einer Kopfbewegung den kecken Junker an der Spitze des Zuges bezeichnete, »der dort könnte ihr wohl zu einem verhelfen, und sie könnte Kerzen und Gelübde sparen.«
»Mich wundert's nur«, erwiderte die Ährenleserin, »daß sie zur Mutter Gottes nach Esgrignolles geht, wo man seit Menschenalter kein hübsches junges Pfäfflein mehr gesehen hat. Sie täte besser, sich ein Viertelstündchen im Schatten des Kirchturms von Marmoustiers auszuruhen. Die Herren Patres dort sind groß im Urbarmachen und Fruchtbarmachen.«
»Zum Teufel die Mönche!« rief eine dritte, die sich aus dem Graben erhob, wo sie geschlafen hatte, »seht doch den Junker von Montsoreau, wie sein Auge flammt und blitzt; er wäre der rechte Mann, ihr das Herz aufzuschließen, das ja ohnedies schon gespalten ist.«
So wechselten Reden und Gelächter. Der Junker hatte die letzten Worte gehört und befahl, daß man das Weibsbild mit dem losen Maul am nächsten Apfelbaum der Straße aufknüpfte. Aber Blancheflor wehrte ihm.
»Laßt sie noch nicht hängen!« rief sie, »sie hat gewiß noch mehr zu sagen, wir werden auf der Rückkehr das übrige hören.«
Sie wurde rot bei diesen Worten, und Walter von Montsoreau warf ihr einen Blick zu, feurig genug, um das tiefste Dunkel eines süßen Geheimnisses gleich einem zuckenden Blitz zu durchleuchten. Schon die Reden der Bäuerinnen hatten der Dame ein halbes Licht aufgesteckt, der Baum der Erkenntnis mit seinen roten Früchten nahm immer deutlichere Gestalt an in ihrer Phantasie. Ihre Jungfernschaft war ein Zunder geworden, der Feuer fangen mußte beim geringsten Funken.
Blancheflor fing bereits an, den ungeheuren Unterschied in den physischen Formen und Eigenschaften ihres Mannes und denen des Junkers so zu sehen, wie sie ihn nie gesehen hatte, und konnte schon ihr Auge nicht mehr wegwenden von der Gestalt des dreiundzwanzigjährigen Junkers, der sich im Sattel hielt gerad wie eine Lanze
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