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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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und munter wie die erste Morgenstunde, indes der Seneschall den Kopf und anderes hängenließ.
    Walter war einer jener Goldjungen, den die Mädchen im Bett lieber um sich gehabt hätten als ihr Nachthemd, wahrscheinlich weil sie sich dann weniger vor Flohstichen zu fürchten gehabt hätten; und mir scheint, daß man unrecht täte, die jungen Dinger um diese Vorliebe zu tadeln, denn wie eins sich bettet, so schläft es, das ist seine Sache.
    So schnelle Fortschritte machte die Seneschallin im Begreifen und Verstehen, daß sie noch vor der hölzernen Brücke über den Fluß den schönen Walter liebte, mit Zittern und Zagen und ganz heimlich im tiefsten Innern, wie nur eine Jungfrau lieben kann, die nicht weiß, was Liebe ist.
    Sie wurde auf dieser Wallfahrt mit einem Schlag eine gute Christin, insofern sie zum ersten Male das Gebot der Nächstenliebe, das höchste der christlichen Lehre, richtig zu begreifen glaubte und zu befolgen sich anschickte. Nur das begriff sie nicht, warum ihr Herzlein so unruhig wurde und sich todkrank fühlte, und begriff auch nicht, was sie jetzt erfuhr, nämlich wie schon allein durch die Augen sich ein feines Gift in den Körper einschleichen könnte, daß man es spürte, nicht nur im Herzen, sondern auch bis ins feinste Geäder hinaus durch alle Nerven, in allen Gliedern, in allen Eingeweiden, in Haut und Gehirn, in Lunge, Leber und Nieren, in allen noch so geheimen und verschämten Schlupfwinkeln des Leibes und Lebens. Durch alle Gefäße sickerte und tröpfelte das feine Gift wie eine Flamme, die alles durchdringt und die überall hervorzüngelt, hervorschlägt, hervorbricht, in den Haaren knistert, in den Fingerspitzen prickelt, daß es einem unter der Haut kribbelt und krabbelt wie mit tausend feinen Nadeln. So sehr umloderte sie die Flamme jungfräulicher Liebe, so sehr ging ihr Wesen unter in einem Wunsch ohne Namen, daß sie zu ersticken drohte, daß ihr die Sinne schwindelten, daß ihr guter alter Ehegemahl ihr zu Luft wurde und daß sie nur noch den jungen Walter sah, der strotzte von jugendlicher Kraft wie das Kinn eines Abtes.
    Als man endlich in den berühmten Wallfahrtsort einzog, da weckten die Zurufe der Menschen von allen Seiten der Ehemann aus seinem Dusel, und er hielt mit großem Pomp seinen Einzug in die stattliche Kirche von Notre-Dame. Blancheflor begab sich unverzüglich nach der Kapelle, wo von alters her die Frauen den lieben Gott und die Heilige Jungfrau um Fruchtbarkeit anzuflehen pflegten. Die Sitte wollte, daß sie allein hineinging, der Seneschall und sein Gefolge wie das neugierige Volk blieben vor dem Gitter.
    Als nun der Priester erschien, der zuerst die sogenannte Kindermesse hielt und dann die Gelübde entgegennahm, fragte ihn die gute Dame in der Beichte, ob es viel solcher Frauen gäbe wie sie, worauf der Priester erwiderte, daß er sich nicht zu beklagen habe und daß seine Kirche von diesem Notstand die größten Einkünfte bezöge.
    »Und geschieht es oft«, fragte Blancheflor weiter, »daß junge Frauen einen so alten Mann mitbringen, wie der Herr Seneschall ist?«
    »Selten«, antwortete der Priester.
    »Und haben solche je Nachkommenschaft erhalten?«
    »Nie hat es daran gefehlt«, erwiderte der Priester lächelnd.
    »Und bei den andern, die jüngere Männer hatten?«
    »Auch bei ihnen fehlte es nur hie und da.«
    »Oh!« rief die Dame freudig aus, »so ist also größere Sicherheit bei einem Mann wie der Herr Seneschall?«
    »Gewiß«, antwortete das Pfäfflein.
    »Warum?« fragte sie.

     
    »Hohe Herrin«, sprach der Priester ernst, »vor diesem Alter liegt die Sache allein in der Hand Gottes; später hat außerdem immer noch ein Mann seine Hand im Spiele.«
    So sagt man doch wahrlich mit Recht, daß in jener Zeit die Kleriker allein im Besitz aller Wissenschaft waren.
    Blancheflor aber tat ihr Gelübde, das sehr beträchtlich war, denn ihre Ausrüstung hatte wohl an die zweitausend Goldgulden gekostet.
    »Ihr seid ja auffallend vergnügt«, sagte der Seneschall, als sie auf dem Heimweg ihren Zelter zu den verwegensten Sprüngen und Kapriolen reizte.
    »Mit gutem Grund«, antwortete sie. »Ich brauche nicht mehr zu zweifeln, daß ich ein Kind haben werde, da nur erforderlich ist, wie mir der Priester erklärt hat, daß noch ein anderer Mann daran mitarbeite. Ich habe den Walter dazu ausersehen ...«
    Im ersten Zorn wollte der Seneschall hingehen und den Pfaffen erwürgen; aber er bedachte, daß ein solches Verbrechen ihn viel Geld kosten

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