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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aber ersparte sie für das Postskriptum.

     
    »Heiliger Vater«, sagte sie da, »ich muß Euch bekennen, daß ich Tag und Nacht von dem Wunsch verfolgt werde, ein Kind zu bekommen. Ist das eine arge Sünde?«
    »Nein«, antwortete der Mönch.
    »Aber«, entgegnete sie, »meinem Gemahl ist es von Natur aus untersagt, für meine Bedrängnis eine offene Hand zu haben, wie die Bettler zu sagen pflegen.«
    »Wenn es so ist«, entgegnete der Priester, »bleibt Euch nichts übrig, als Euch jeden Gedanken dieser Art aus dem Kopf zu schlagen.«
    »Ich habe aber die Dame von Jallanges sagen hören, daß es keine Sünde sei, wenn man weder Vorteil noch Vergnügen davon habe.«
    »Vergnügen ist immer dabei«, sprach der Abt; »und rechnet Ihr es nicht für einen Vorteil, ein Kind zu bekommen? Also laßt Euch gesagt sein, daß es immer eine Todsünde ist vor Gott und ein Verbrechen vor den Menschen, ein Kind zu bekommen durch Beihilfe und Mitwirkung eines Mannes, mit dem man nicht kirchlich getraut ist... Frauen, die die heiligen Gesetze der Ehe verletzen, werden in der andern Welt entsetzlich dafür gestraft, sie werden dort fürchterlichen Ungeheuern übergeben, die sie mit ihren scharfen Krallen in glühende Öfen werfen, damit sie des sündhaften Feuers gedenken, das sie auf Erden in ihrem Herzen genährt haben.« Blancheflor kratzte sich hinter den Ohren. Aber nachdem sie ein wenig nachgedacht, sagte sie zu dem Priester:
    »Und die Heilige Jungfrau Maria, wie hat die es denn angefangen?«
    »Oho!« rief der Abt, »das ist ein Mysterium.« »Was ist das, ein Mysterium?«
    »Eine Sache, die man nicht erklären kann und die man ohne Untersuchung glauben muß.«
    »Und könnte mir nicht auch ein Mysterium widerfahren?«
    »Ein solches«, antwortete der Abt, »hat sich nur einmal ereignet, da hat es sich um den Sohn Gottes gehandelt.«
    »Hört mich, heiliger Vater, glaubt Ihr, daß Gott meinen Tod will? Oder daß, klaren Geistes wie ich bin, mein Blut mir das Gehirn verbrenne? Und wahrlich, ich fürchte es sehr. Denn seht, wenn manchmal alles in Aufruhr in mir ist, dann verliere ich derart den Kopf, daß ich nach nichts mehr in der Welt frage und daß ich über Mauern wegspringen und schamlos querfeldein laufen möchte, um mir den ersten besten Mann zu nehmen, ja alles hintansetzen könnte, um nur das Ding zu sehen, das bei dem Karmelitermönch also glühte und sprühte. Wenn ich in diesem Zustand bin, gibt es für mich weder Gott noch Teufel, noch Gemahl; ich zittere und bebe, ich bin in ewiger Unruhe, ich meine es nicht mehr aushalten zu können in meiner Haut und möchte alles in Trümmer schlagen, Geschirre, Geräte, den Geflügelhof, die ganze Wirtschaft, mit einem Worte, alles, und ich kann gar nicht sagen, wie mir ist. Ich wage auch nicht, Euch alle meine Missetaten zu gestehen, ich kann nicht davon reden, ohne daß mir, möge mich Gott verdammen, das Wasser im Mund zusammenläuft und mich's also juckt, um toll und verrückt zu werden. Wollt Ihr, daß der Wahnsinn mich peitsche und meine Tugend töte? Kann mich Gott verdammen, nachdem er das Feuer in meinen Eingeweiden entzündet hat?«
    Da war es nun an dem Priester, sich hinter dem Ohr zu kratzen, ganz ratlos gegenüber diesen Lamentationen und dieser erstaunlichen Philosophie, Wissenschaft und Beredsamkeit einer armen Jungfernschaft.
    »Meine arme Tochter«, sprach er, »Gott hat uns von den Tieren unterschieden und hat uns ewige Wonnen bereitet, die wir uns verdienen sollen; darum hat er uns die Vernunft gegeben als ein Steuer, wenn die Stürme der Sinnlichkeit uns zu verschlingen drohen; da heißt es fasten und arbeiten, wachen und beten, daß die Vernunft nicht schwach werde. Statt wie ein loses Füllen herumzutollen, werft Euch auf die Knie vor dem Bild der Heiligen Jungfrau, schlaft auf hartem Lager, haltet Euer Haus in Ordnung, vor allem seid niemals müßig.«
    »Ach, mein Vater, wenn ich in der Kirche in meinem Stuhl sitze, da sehe ich weder Priester noch Altar, ich sehe nur das kleine Jesuskind, und schnell sind meine Gedanken bei andern Sachen als bei dem Gebet. Wenn mir dann der Kopf wirbelt in dem Grade, daß ich den Verstand verliere und nichts weiß von mir selber ...«
    »Wenn es so mit Euch stünde«, sagte unvorsichtigerweise der Abt, »da wäret Ihr ja in der Lage der heiligen Lidoria, die eines Tages während der großen Hitze eingeschlafen war in verfänglicher Lage, nur wenig bekleidet, und der sich ein schlimmer junger Mann genaht, leise und

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