Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
hab ich meine Sache nicht gut gemacht?« sagte Nicole.
»Die Posse ist gut, aber sie stinkt teuflisch«, antwortete der König lachend.
An diesem königlichen Wort merkten die Gäste, daß es diesmal nicht um ihre Köpfe ging, und dankten dem Himmel. Wirklich, dieser König verstand noch einen Spaß. Er war kein böser und heimtückischer Mensch. Das sagten auch seine Gäste, während sie sich am Rand des Maifelds zu ihrer Bequemlichkeit hinsetzten und Gevatter Tristan als guter Franzose ihnen Gesellschaft leistete, der ihnen auch später auf dem Heimweg das Geleit gab. Von daher aber schreibt sich die Gewohnheit der Bürger von Tours, nirgendwo lieber sich die Hosen zu lüften als auf dem Maifeld von Chardonneret, wo einmal so vornehme Hofleute geschissen hatten. Von diesem großen König muß ich noch eine hübsche Sauerei erzählen.
In der nächsten Nachbarschaft der Nicole wohnte ein altes Fräulein namens Godegrand, ein unglückliches versauertes Wesen in seiner welken gelblichen Haut und voll Verbissenheit über die Welt, wo sie in langen vierzig Jahren für ihr Töpfchen keinen Deckel gefunden hatte und jungfräulich geblieben war wie ihre Nachthaube.
Ihre Wohnung in der Rue de Hiérusalem war auf der einen Seite nur durch ein schmales Gäßchen von dem Haus der Beaupertuys getrennt, so daß man von dem Balkon dieser Dame alles sehen und hören konnte, was in den Zimmern der Godegrand vorging, und hundertmal machte sich der König das Vergnügen, zusammen mit seinem Kebsweib das ahnungslose alte Mädchen zu belauschen. Nun geschah es, daß der König eines Tages einen Bürgerssohn der Stadt hängen ließ, der einer ältlichen Edeldame Gewalt angetan, weil er sie für ein junges Mädchen gehalten hatte. Dabei war an sich kein Unglück, die Dame konnte es sich noch zur Ehre anrechnen, für eine Jungfrau angesehen worden zu sein; aber der Bursche wurde wütend, als er seinen Irrtum merkte, überhäufte die Dame mit Schimpfreden, und da er den Verdacht hegte, mit Absicht getäuscht worden zu sein, nahm er ihr einen goldenen Becher aus der Tasche, um wenigstens auf seine Kosten zu kommen, wie er sagte. Er war ein so schöner Bursche, daß jedermann zusehen wollte, als er gehängt wurde, teils aus Bedauern, teils aus Neugierde, doch sah man natürlich mehr Hauben in der Menge als Hüte. Der Bursche baumelte auch wirklich ganz lustig an seinem Strick, und nach der Sitte der Gehängten jener Zeit machte er seinen Ritt ins Jenseits ritterlich mit vorgestreckter Lanze. Den ganzen Tag sprach man von nichts als von dem schönen Gehängten, und einige Damen meinten, es sei doch jammerschade, daß ein solches Prachtstück von Lanze außer Brauch gesetzt werde.
»Was meint Ihr«, sagte Nicole zu König Ludwig, »wenn wir den Burschen der Godegrand ins Bett legten?«
»Sie würde allzusehr erschrecken«, meinte der König.
»Nicht die Spur«, erwiderte die Beaupertuys; »die Godegrand hat sich so lange vergeblich nach einem Lebendigen gesehnt, daß sie zuletzt auch um einen Toten froh sein wird. Noch gestern habe ich ihr zugeschaut, wie sie vor dem Barett eines jungen Mannes, das sie auf eine Stuhllehne gehängt hatte, sich ganz toll aufgeführt; ihr Geplausch und Getue dabei würde Euch nicht wenig ergötzt haben.«
Es war um die Stunde des Abends, wo das vierzigjährige Mädchen zur Vesper ging. Der König ließ den Gehängten, der gerade seinen letzten Schnaufer getan, abschneiden und herbeischaffen. Zwei Soldknechte bekleideten ihn mit einem frischen Hemd, brachten ihn mittels einer Leiter über die Gartenmauer der Godegrand und von dort nach deren Schlafkammer auf der Seite des Hauses der Beaupertuys. Im Bett des Fräuleins drückten sie ihn hart an die Wand, strichen die Decke glatt und machten sich aus dem Staub. In dem Balkonzimmer der Beaupertuys aber pflegte der König mit seiner Dame des Brettspiels bis zur Stunde, wo drüben das pünktliche Mädchen sich jeden Abend schlafen legte. Mit kleinen, sachten Mädchenschritten kam die Godegrand von der Kirche zurück, der von Saint-Martin, die nahe lag, da die Rue de Hiérusalem gerade auf den Münsterplatz hinausläuft. Tritt also das gute Ding in seine Stube, legt seine Almosentasche, sein Stundenbuch, seinen Rosenkranz ab und mit was sonst für frommem Kram sich alte Betschwestern zu umgeben pflegen; sie deckt ihr Feuer auf, facht die Glut an, wärmt sich die magern Hände, streichelt und liebkost die Katze, weil sie nichts anderes hat, geht in ihr
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