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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Pastor seine Betthälfte verlor, die nach den neuesten Vorschriften des Erzbischofs keine Nachfolgerin haben durfte. Dem guten Pfarrer ging aber deswegen nichts von seinem Hausrat ab. Er bekam, was er nötig hatte, gern von jedermann geliehen, sie machten sich alle eine Ehre daraus, denn er war dafür bekannt, daß er nichts verdarb, sondern das Geliehene wohlgescheuert wieder zurückgab, der Prachtkerl von einem Mann. Nun aber die Geschichte:
    Eines Abends kam der Pfarrer von einem Begräbnis zurück; er war ganz traurig und niedergeschlagen, denn der Eingescharrte, ein Pächter, war auf eine so kuriose Art ums Leben gekommen, daß man noch nach Jahr und Tag davon sprach. So wenig hatte dem Pfarrer das Essen nie geschmeckt, er machte der Schüssel voll Kutteln, die ihm doch mit einem ganz verführerischen Geruch in die Nase stachen, ein Paar Augen, als ob er bei einer Giftmischerin zur Nacht äße; die gute Haushälterin war ganz unglücklich darüber.
    »Seid Ihr beim Wucherer vorübergegangen?« fragte sie, »oder ist Euch ein altes Weib über den Weg gelaufen? Oder hat etwa gar der Begrabene an seinem Sargdeckel gekratzt, daß Euch so Essen und Trinken vergangen ist?«
    Der Pfarrer brummte nur.
    »So sagt doch.«
    »Mein Schatz«, antwortete der Pfarrer, »ich bin noch ganz entsetzt über den Tod dieses armen Cochegrue. Auf zwanzig Meilen im Umkreis wird man heute abend keine Gevatterinnenzunge und keinen Gevatterbart beisammen finden, die nicht das schreckliche Ereignis besprechen.«
    »Was für eins?« rief die Pfarrerin.

     
    »Hör nur. Der gute Cochegrue kommt vom Markt zurück, wo er sein Getreide und zwei fette Schweine verkauft hat. Auf seiner hübschen Stute reitet er seines Wegs, während das Tier allmählich hengstig wird, ohne daß der gute Pächter Geruch davon bekommt. So trottet er also vor sich hin und rechnet still im Kopf seinen Marktgewinn zusammen. Bei dem sogenannten alten Weg, der nach der großen
    Heide führt, die Heide Karls des Großen genannt, graste hinter Planken der Hengst des Herrn von La Carte, den dieser zur Zucht hielt, ein prachtvolles Tier, ein Kerl, der seinesgleichen suchte, wohlgenährt wie ein Abt, dabei ein famoser Renner, so daß neulich der Herr Admiral nur deswegen nach La Carte gekommen ist, um dieses Prachtexemplar von einem Hengst zu beaugenscheinigen, und nachher ausgesagt hat, daß das Tier von hoher Rasse sei. Dieser Satanshengst nun bekommt Wind von der Stute, spitzt die Ohren und bricht, als gerade die Stute in den alten Weg einlenkt, ohne Wiehern und sonstige hengstische Präambeln über die Planken und ein Rebstück von vierzig Ruten hinweg, setzt hinter der Stute her, schlägt mit seinen vier Eisen den Boden, daß Staub und Funken sprühen, wiehert jetzt, stößt ganze Salven brünstiger Notschreie aus, und so fürchterlich klingt es, daß dem Herzhaftesten davon das Herz in die Hosen gefallen wäre und daß man es mit Entsetzen bis nach Champy hinein vernommen hat. Dem armen Cochegrue ahnt nichts Gutes, er nimmt die Richtung der Heide und gibt seiner liederlichen Stute beide Sporen. Auf deren Schnelligkeit setzt er seine Rettung. Sein Tier ist auch willig, setzt sich in Galopp, und wie eine Kugel aus dem Rohr fliegt es hin über die Heide. Aber der verteufelte Hengst, tattata, tattata, tattata, alle Muskeln gespannt, die Mähne gesträubt, folgt ihm auf den Fersen. Der Pächter begreift, daß der Tod hinter ihm her rast. Er spornt sein Tier, und bleich, halbtot erreicht er seinen Pachthof. ›Zu Hilfe!‹ schreit er, ›Frau, Frau, zu Hilfe!‹, denn das Tor zu den Stallungen war geschlossen. Er umsprengt ein paarmal den Teich in der Hoffnung, dem brünstigen Ungeheuer zu entrinnen, aber der wütige Hengst mit heißem Atem und schrecklichem Geschnaube ist ganz nahe hinter ihm her. Die Knechte und Mägde waren so entsetzt bei dem Anblick, daß sie das Tor nicht zu öffnen wagten; einen Tritt von diesem verliebten Hengst zu riskieren war keine Kleinigkeit. Endlich findet die Pächterin den Mut und öffnet. Aber just unter dem Tor ergreift der Hengst die Stute, packt sie mit seinen Vorderbeinen, kneift und preßt und zwängt sie mit solcher Gewalt, schlägt aus, beißt, wütet so auf das Tier ein, kurz, zerdrückt und zerquetscht zugleich den armen Cochegrue und richtet ihn so zu, daß er ganz unförmlich aussieht und braun wie ein ausgepreßter Ölkuchen. Wahrlich, es war ein Jammer zu sehen, wie er so geschunden wurde, lebendigen Leibes, und sein Wehgeschrei

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