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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hatte einen Hunger wie ein Rekonvaleszent, und wirklich genas er alle Tage, will sagen, genoß die Genesung von einer nicht unangenehmen Krankheit, die ihn zu gewissen Stunden regelmäßig befiel: er hätte in späterer Zeit sein eigener Henker und Schinder sein müssen, wenn er die kanonische Enthaltsamkeit hätte üben wollen. Bedenkt auch, daß der Mann ein Tourainer war, ein brauner Satan mit soviel Feuer in den Augen, um alle Herde und Feuerstellen seiner Pfarrei damit in Brand zu setzen, auch Wasser genug, um sie zu löschen, wenn gelöscht werden sollte. Einen solchen Pfarrer hat man zu Azay nicht wieder gesehen. Er war immer wohlauf, immer lustig, immer die Nase in der Luft, wo er einen guten Braten erschnüffeln möge, mit einem Wort, ein Sapperlotspfarrer, dem die Hochzeiten und Kindtaufen lieber waren als die Beerdigungen, dabei ein Spaßmacher und so fromm in der Kirche wie außerhalb.
    Es hat wohl noch andere Pfarrer gegeben, die gern gebetet, und noch mehr derer, die gern geknetet haben; aber sie alle haben doch höchstens einen Bruchteil von dem geleistet, was dieser Pfarrer von Azay-le-Rideau vermochte. Er übertraf alle in Fülle und Überfluß seiner Segnungen; er tröstete die Betrübten und verbreitete Freude weithin. Seine Pfarrkinder hätten ihn fressen mögen, so sehr liebten sie ihn. Er war der erste, der es in einer Predigt aussprach, daß der Teufel lange nicht so schwarz wäre, als man ihn mache. Sogar Wunder tat er. Er verwandelte für die Herzogin von Candé Rebhühner in Fische, indem er ihr bewies, daß die Barben der Inder nichts anderes wären als Wasserrebhühner, hingegen die Rebhühner nichts andres als gefiederte Barben. Dieser Pfarrer war kein Duckmäuser, er war keiner von denen, die sich mit schlechtem Gewissen hinter die Moral verstecken wie ein Kind hinter die Röcke seiner Mutter. Er sagte oft, daß er lieber in einem guten Bett liegen als in einem Testament stehen wolle und daß sich Gott selber mit allem reichlich versehen habe und uns nicht dazu brauche. Um so mehr, meinte er, brauchten uns die Armen. Er schor seine armen Schäflein nicht, er gab ihnen Wolle dazu. Er hatte immer die Hand in der Tasche, und von so hartem Stoff er sonst war, der Anblick von Armut und Elend machte ihn weich wie Butter, er meinte, er müsse alle Wunden verbinden.
    Tausend Schwänke waren über diesen König der Pfarrer im Umlauf. Als zum Exempel der: wie er auf der Hochzeit des Herrn von Valesnes die Hochzeitsgäste zum Lachen gebracht hat, wo die Mutter des genannten Herrn ein solches Fressen anrichtete, daß man eine ganze Stadt damit hätte versehen können, was aber auch nötig war, da die Leute von weither kamen zu diesem Beilager, von Tours, von Montbason, von Chinon, kurz, von allen Städten des Tourainer Landes, und das Gelag und Gezech acht Tage dauerte und noch einige darüber.

     
    Hatte sich da der gute Pfarrer ein wenig aus der Halle entfernt, wo die ganze Kumpanei bankettierte, und läuft ihm, wie er wieder zurückkehrt, ein Küchenjunge zwischen die Beine, der nach der Halle rennen will, um die Schloßherrin auf einen Augenblick in die Küche zu rufen, weil da alles bereit war, Fettes und Mageres, Gesalzenes und Gepfeffertes, kurz, Brüh und Brocken, womit die große Blutwurst, das Haupt- und Meisterwerk der hochzeitlichen Gastronomie, zustande gebracht werden sollte, und welche geheime gastrologische Manipulation und Kompilation die Hausfrau zum Wohl der Ihrigen selber überwachen wollte. Diesen Jungen nimmt unser Pfarrer am Ohr und sagt ihm, daß er sich so fettig und schmutzig nicht vor der illustren Gesellschaft zeigen dürfe; er solle sich nur wieder in die Küche machen, sein Auftrag werde ausgerichtet werden. Tritt also dieser Schelm von einem Pfarrer in die Halle vor die Gesellschaft hin und hart vor die Schloßherrin, macht die Finger seiner linken Hand rund, daß sie eine Scheide bilden, und mit dem ausgestreckten Mittelfinger seiner Rechten vollführt er nun wiederholt kurze Stöße in die Scheide, indem er die Dame des Hauses verschmitzt anblinzelt:
    »Kommt, kommt«, flüsterte er, »es ist alles bereit.« Die ganze Gesellschaft, die die Dame sich erheben sah, um dem Pfarrer zu folgen, und die nicht wußte, worum es sich handelte, brach in ein unbändiges Lachen aus; denn die Schloßherrin allein verstand, daß der Pfarrer die Blutwurst meinte und nicht das, was die andern sich dachten.
    Eine richtige Geschichte aber ist die Art und Weise, wie dieser würdige

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