Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
führen. Sie floh in das dunkelste Dickicht des Gehölzes.
»Ihr seid ein Schlimmer«, rief sie, »aber Ihr sollt mich nicht finden.«
Doch in einer Lichtung mit Moos und weichem Gras strauchelte die Dirne, und der Pfarrer auf seinem Maultier holte sie ein. Er begann alsbald seinen Eheunterricht. Seine Methode ließ an Anschaulichkeit und Eindringlichkeit nichts zu wünschen übrig, und die Schülerin brachte seiner Lehre einen offenen Sinn und eine fast erstaunliche Gelehrigkeit entgegen. Er fand wahrhaftig ihren Geist nicht weniger geschmeidig als ihre Haut, und er ärgerte sich nur über eins: daß er den Unterricht stark abkürzen und alle Repetitionen vermeiden mußte, da der Ort des Unterrichts kaum steinwurfweit von Azay-le-Rideau entfernt war. Sehr schmerzte ihn das; denn wie andere Weisheitslehrer liebte er es, seinen Schülern dasselbe immer wieder von neuem zu sagen.
»Ei, mein Schatz«, fragte er, »warum hast du dich denn so lange gewehrt, bis wir fast in Azay waren?«
»Weil ich von Ballan bin«, antwortete die tugendsame Jungfrau.
Als dieser gute Pfarrer starb – um zum Ende zu kommen –, trauerte das ganze Dorf um ihn, und viele, Kinder und andre, beweinten ihn wie ihren Vater. ›Wir haben unsern Vater verloren‹, hörte man allenthalben klagen. Das Frauenvolk, lediges und verheiratetes, war besonders untröstlich. Der Verstorbene, hieß es, war mehr als ein Priester, er war ein Mann.
Für solche Pfarrer ist unterdessen der Samen verlorengegangen. So was wird nicht mehr gesät und wächst nicht mehr, allen künstlichen Sämereianstalten, Seminarien geheißen, zum Trotz.
Sein Erspartes hatte er den Armen hinterlassen. Es war ein schlechter Trost für sie, sie verloren dabei mehr, als sie gewannen, und ein alter Stelzfuß, den er lange verhalten und der heulend in den Pfarrhof gehumpelt kam, fluchte dem Tod, daß er nicht ihn geholt statt des guten Pfarrers. Darüber lachten die Leute, aber dem Schatten des Verstorbenen würden diese Worte gewiß nicht wenig geschmeichelt haben.
Die schöne Wäscherin von Portillon
Schon früher wurde in diesem Buch ein höchst spaßhaftes Wort der hübschen Wäscherin aus Portillon, welches ein Vorort der Stadt Tours ist, angeführt. Dieses Mädchen stak so voll Bosheit und List, daß sie wenigstens die von sieben Priestern oder drei Frauen gestohlen haben mußte. So fehlte es ihr denn auch nicht an Liebhabern, sondern sie hatte deren so viel, daß sie davon wie von einem Bienenschwarm umschwirrt und umhummelt war.
Kam da eines Abends ein alter Seidenfärber, der in der Rue Montfumier wohnte und daselbst ein Haus voll heidenmäßiger Reichtümer besaß, von seinem Weingarten Grenadiere, bei den schönen Hügeln von Saint-Cyr, zurück und ritt auf seinem Gaul gemächlich durch die Vorstadt Portillon gegen die große Brücke, die die Stadt von der Vorstadt trennt. Es war ein warmer Sommerabend, und als der Färber die schöne Wäscherin erblickte, die auf der Schwelle ihres Hauses saß, wurde er von einer heftigen Begierde nach ihr ergriffen. Er träumte übrigens schon lange von der schönen Dirne, und heute faßte er den Entschluß, sie zu seiner Frau zu machen.
So wurde aus der Wäscherin eine Färberin, eine reiche Bürgersfrau der Stadt Tours, mit feiner Wäsche und schönen Spitzen, mit Hausgerät in Hülle und Fülle, eine glückliche Frau, trotz ihres Färbers, den sie, wenn ihm auch kein Ring daran saß, aufs zierlichste an der Nase herumzuführen wußte.
Der genannte Färber hatte zum Gevatter einen gewissen Meister
Mechanikus, der die verschiedenen Werkzeuge der Seidenweberei anfertigte; er war klein von Gestalt, bucklig, seitdem er lebte, und dazu ein Nickel, wo ihn die Haut anrührte.
»Du hast wohl daran getan, dich zu verheiraten«, sagte er am Hochzeitstag zu dem Gevatter, »wir werden eine hübsche Frau haben.« Und mit tausenderlei Scherzreden und Anzüglichkeiten, wie sie so üblich sind, foppte er die Neuvermählten und hofierte der schönen Färberin, die mißratene Gewächse in ihrem Leben nicht leiden gekonnt und den Mechanikus und seine Bewerbungen frank heraus auslachte.
Sie neckte ihn den ganzen Tag mit seinen Spulen, Spindeln und Zapfen und sagte, daß er davon nicht nur die Bude, sondern auch den Buckel voll habe. Aber der Bucklige ließ sich dadurch in seiner Leidenschaft nicht irremachen und fiel der schönen Färberin so lästig, daß sie sich entschloß, ihm einmal einen recht schlimmen Streich zu
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