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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sich vermischte mit dem Liebesgewieher seines Tiers.«

     
    »Gott, so eine Stute ...« seufzte das Pfarrmensch.
    Der Priester verstand sie nicht gleich.
    »Wieso?« fragte er erstaunt.
    »Nun ja, Euereins würde nicht einmal eine Zwetsche – wie soll ich sagen – zerquetschen.«
    »Oho!« schrie der Priester. »Den Vorwurf verdiene ich nicht.«
    Er warf sie im Zorn auf sein Bett, zog derart am größten Glockenschwengel seines Kirchspiels, läutete dergestalt die große Messe ein ... daß die arme Glocke barst und die gute Frau starb und den Geist aufgab, also daß sie den Ausgang seines Läutens schon nicht mehr hörte ... auch kein Chimist noch Alchimist auf die Ursache dieses unglaublichen Berstens je geraten hätte. Und sagt, war das nicht ein Sapperlotskerl, ein Schwerenöter von einem Pfarrer, wie ich gesagt habe?
    Die anständigen Leute vom Ort, die Frauen insbesondere, kamen überein, daß der Pfarrer damit kein Unrecht getan, sondern nach Fug und Recht gehandelt hatte. Und daher ist vielleicht das Sprichwort entstanden, das man damals allenthalben hören konnte: ›Den soll doch ein ...‹ Doch halt! Die Ausdrücke dieses Sprichworts sind zu ungewaschen; ich unterdrücke sie mit Rücksicht auf die Damen ...
    Dieser edle und ehrwürdige Pfarrer hatte übrigens auch noch andere Stärken, und lange vor dem erzählten Unglück hat er einmal einen Streich ausgeführt, davon allen Spitzbuben und Langfingern ein Schreck in die Glieder fuhr, daß nicht mehr leicht eine Gaunerbande, und wenn sie auch ihrer zwanzig gewesen wären, die Lust verspürt hat, mit diesem Satanspfaffen anzubändeln. Eines Abends, es war zur Zeit, als seine gute Frau noch lebte, eines Abends, sage ich, nach dem Abendessen, nachdem er durch lange Zeit hindurch einer gebratenen Gans, einer Stütze Wein und vor allem seiner Hausfrau alle Ehre angetan hatte und nun, behaglich im Sessel sitzend, bei sich überlegte, wo er die neue Scheuer für seine Zehnten bauen wolle, meldete sich plötzlich im Hof ein Bote des Herrn von Sacchez und sagte, daß sein Herr in den letzten Zügen liege und nach der Aussöhnung mit Gott und der letzten Wegzehrung lechze. »Das war immer ein guter Kerl und gerechter Herr«, sagte der Priester, »ich werde zu ihm eilen.«
    Unverweilt erhob er sich, begab sich nach der Kirche, versah sich mit der silbernen Kapsel, die das heilige Brot enthielt, und ohne erst den Mesner zu wecken, machte er sich auf den Weg, indem er selber das Glöcklein vor sich her läutete. Also Mesner und Pfarrer in einer Person, schritt er rüstig fürbaß in der finstern Landschaft. Wie er an den Quäd kommt, einen wilden Bach, der sich hier in die Indre stürzt, bemerkt er einen Wegelagerer, der ihm auflauert. Ihr werdet fragen: Was ist das, ein Wegelagerer? Ein Wegelagerer, müßt ihr wissen, gehört in die Sippe der Schnapphähne. Das ist eine Menschensorte, die wie die Katzen und Eulen bei Nacht besser sehen als bei Tag und aus reiner Neugierde und Liebe zur Wissenschaft den Leuten die Beutel umkehren. Ist das klar? Also, dieser Wegelagerer und Schnapphahn spekulierte auf die sehr wertvolle silberne Kapsel des Priesters.
    »Oho!« rief der Pfarrer, indem er das Ziborium auf der steinernen Brücke niederstellte. »Bleib du einmal hier und rühre dich nicht«, fügte er hinzu, geht dann auf den Spitzbuben los, versetzt ihm einen Fußtritt in die Rippen, entreißt ihm seinen eisenbeschlagenen Stock und bleut ihn derart damit durch, daß dem Nachgestellten Hören und Sehen vergeht. Dann kehrt er zu seinem Viatikum zurück.
    »Na«, sagte er, »diesmal wären wir futsch gewesen, wenn ich mich auf deine Vorsehung hätte verlassen müssen.« Auf der Landstraße ausgesprochen, war das keine Blasphemie. Der Priester meinte aber damit nicht den lieben Gott, sondern den Erzbischof von Tours, der ihn mit dem Interdikt bedroht und vor dem ganzen Kapitel wie einen Schulbuben heruntergekanzelt hatte, weil der Pfarrer in seiner Sonntagspredigt dem faulen Volk gesagt hatte, daß eine gute Ernte nicht dem Gebet und der Gnade Gottes, sondern allein der Mühe und Arbeit zu verdanken ist, was allerdings eine brenzlige Rede war. Brenzlig nämlich, weil es darin nach dem Scheiterhaufen roch. Der gute Priester hatte auch zweifellos unrecht, insofern die Feldfrüchte des einen so gut bedürfen wie des andern. Aber der Pfarrer von Azay-le-Rideau hat seine Ketzerei mit ins Grab genommen, weil er nicht begreifen konnte, daß eine Ernte, wenn es dem lieben Gott

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