Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
hätte auf dem Rost dieses Glühfeuers auf die Dauer standgehalten? Je weniger die beiden Geliebten in Wirklichkeit sich erlauben durften, um so mehr nahmen sie sich in der Phantasie.
Lavallière ließ Marie zurück und ritt seinem Freund entgegen bis in das Dorf Bondy, um ihm in dem übelberufenen Wald, der darnach genannt ist, zur Seite zu sein. In der Herberge zu Bondy schliefen die beiden Brüder nach der Sitte der Zeit zusammen in einem Bett.
Und dort auf dem gemeinschaftlichen Lager erzählten sie, der eine seine Aventuren der Reise, der andere die Hofneuigkeiten, die Skandalgeschichten von Paris et cetera. Maillé aber fragte vor allem nach dem, was seine Frau betraf, und Lavallière schwur, daß sie unberührt sei in dem Punkt, wo die Ehre des Mannes liegt, womit Maillé, ganz erfüllt von Liebe, sehr zufrieden war.
Den andern Tag waren sie alle drei vereinigt, zum großen Leidwesen der Frau, die, nach den Grundsätzen der hohen weiblichen Politik, ihren Mann mit lautem Jubel feierte, aber verstohlen Lavallière zuwinkte und mit dem Finger nach ihrem Herzen deutete, wie um zu sagen: ›Dies ist dein.‹ Beim Nachtessen verkündete Lavallière, daß er entschlossen sei, in den Krieg zu ziehen. Über diesen schmerzlichen Entschluß erschrak Maillé, erklärte sich aber sofort bereit, seinem Waffenbruder zu folgen; doch dieser lehnte kurzerhand ab.
»Herrin«, sagte er zu Marie, »ich liebe Euch mehr als das Leben, aber mehr als Euch liebe ich die Ehre.«
Dies sagend, erbleichte er, und Marie erbleichte, indem sie es hörte; in diesem Augenblick fühlte sie, daß in all den verzuckerten Teufeleien und ihrem ganzen Liebesgetändel nicht soviel Liebe gewesen war, als in diesem einen Wort zum Ausbruch kam.
Maillé drang darauf, seinem Freund bis in die nächste Stadt das Geleit zu geben. Als er zurückkehrte, besprach er sich mit seiner Frau über die unbekannten Gründe und heimlichen Ursachen des unerwarteten Entschlusses, und Marie, die den Kummer Lavallières zu erraten glaubte, sagte: »Ich kenne den Grund recht wohl, Lavallière müßte hier umkommen vor Scham und Schande, er hat die Napolitanische Krankheit, das singen die Spatzen auf den Dächern.«
»Lavallière?« rief Maillé erstaunt. »Ich habe ihn gesehen, als wir neulich zu Bondy miteinander schliefen, und ich habe ihn gestern gesehen, da wir abermals eine Nacht miteinander verbrachten. Ihr redet Unsinn, er ist gesund wie Euer Auge.«
Da weinte die Dame bitterlich, voll Bewunderung über die seltene Redlichkeit, die erhabene Selbstverleugnung und die übermenschliche Qual dieser verheimlichten Leidenschaft. Aber da sie auch ihrerseits ihre Liebe tief im Herzen verbarg, wurde sie krank davon und starb am gleichen Tage mit Lavallière, der bei der Stadt Metz getötet wurde, wie es anderswo der ehrenwerte Herr Bourdeilles von Brantôme in seinen Historien erzählt hat.
Der lustige Pfarrer von Azay-le-Rideau
In jener Zeit hatten die Priester schon keine angetrauten Ehefrauen mehr, dafür hielt sich jeder seine Beischläferin, hübsch oder häßlich, wie er sie eben bekommen konnte. Dieses Wesen wurde später, wie jeder weiß, durch die Konzilien verboten, denn wahrhaftig, es war ein kitzlig Ding, wenn man denken mußte, daß wohl der und jener Pfarrer den Inhalt heimlicher Beichten so einem Weibsbild anvertraute, die sich darüber lustig machte, ganz abgesehen von andern geheimen Gründen, kirchlichen Rücksichten und Absichten, wovon es nur so wimmelte in diesem Punkt der hohen römischen Politik. Der letzte Priester unsres Landes, der nach alttheologischer Regel eine Frau in seinem Presbyterium unterhielt und mit seiner scholastischen Liebe beglückte, war ein gewisser Pfarrer von Azay-le-Rideau, einem lustigen Ort, dessen Schloß eines der schönsten ist im ganzen Tourainer Land. Wenn also heute, wie jedermann weiß, die Frauen einen Priester, nach dem, was man zu sagen pflegt, nicht riechen können, so ist das noch nicht allzu lange her.
Denn es saß damals auf dem Bischofsstuhl von Paris ein Herr von Orgemont, der Sohn des vorangegangenen Bischofs, und die langwierigen Kriege der Armagnaken waren noch nicht beendet.
Und wahrlich, der gute Pfarrer hatte eine feine Nase, daß er sich noch in jenem Säkulum und nicht später mit seiner Pfarrei belehnen ließ; denn ich sage euch, das war ein Kerl, ein Mordskerl sag ich euch. Er war nicht nur vierschrötig von Gestalt und von blühender Farbe, er aß und trank auch für viere. Er
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