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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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spielen, um ihn zu heilen.
    Eines Abends, nachdem er sie wieder mit hartnäckiger Ausdauer verfolgt hatte, sagte sie ihm, er möge denn in Gottes Namen gegen Mitternacht an die Hintertüre kommen, so werde sie ihm für sicher ihre Vordertüre öffnen. Die Nacht war aber eine schöne helle Winternacht, und da die schon genannte Rue Montfumier am Ufer der Loire endet und so mit dem Fluß eine Ecke bildet, wo selbst im Sommer einem der Wind durch Haut und Knochen geht, so könnt ihr euch den Buckligen wohl vorstellen, wie er, um sich warm zu halten, in seinen Mantel gewickelt heftig da auf und ab schritt, bis die ersehnte Stunde herannahte. Als die Uhr auf Mitternacht ging, war er bereits steckensteif gefroren; er fluchte wie siebenundzwanzig Teufel und war nahe daran, auf sein Glück zu verzichten, als er bemerkte, daß sich an den Fenstern ein Licht hinbewegte und sich zuletzt, indem es immer tiefer stieg, der besagten Hintertür näherte.
    »Ah«, sagte er, »da ist sie.«
    Und dieser Gedanke erwärmte ihn. Er drückte sein Ohr an die Tür und hörte drinnen eine feine Stimme.
    »Seid Ihr da?« fragte die Färberin.
    »Ja.«
    »Hustet, daß ich Euch erkenne.«
    Der Bucklige fing an zu husten.
    »Das seid Ihr ja gar nicht.«
    »Wie!« rief laut der Mechanikus, »das bin ich gar nicht? Kennt Ihr denn meine Stimme nicht? öffnet doch!«
    »Wer ist da?« rief der Färber, der einen Fensterflügel aufgerissen hatte.
    »Da, nun habt Ihr meinen Mann aufgeweckt, der diesen Abend unversehens von Amboise zurückgekommen ist.«
    Unterdessen hatte sich der Färber, nachdem er im Mondschein erkannt, daß sich ein Mann an seiner Türe zu schaffen machte, einen Zuber kaltes Wasser herbeigeholt, und mit dem Ruf: »Diebe, Diebe!« schüttete er es hinunter auf den verliebten Gevatter, dem nichts übrigblieb, als die Flucht zu ergreifen. Aber in der Hast stolperte er über die Kette, welche die Straße gegen den Fluß absperrte, und fiel in eines der stinkenden Schmutzlocher, darein jedermann seinen Unrat ablud in Ermangelung von Senkgruben, die eine hochlöbliche Polizei erst später erfunden hat. Der Mechanikus geriet hierüber ganz außer sich und fluchte nicht übel auf die schöne Tascherette, denn so pflegte man, da ihr Eheherr Taschereau hieß, die schöne Färberin in der Stadt allgemein zu nennen.
    Carandas aber, wie der Spulen-, Spindel- und Haspelmacher hieß, war nicht so sehr auf den Kopf gefallen, um an die Unschuld der Färberin zu glauben, er schwur ihr eine fürchterliche Rache.
    Einige Tage danach aber, nachdem er sich von seinem duftenden Bad im Färbergraben erholt hatte und bei seinem Gevatter zu Abend speiste, da wußte die schöne Färberin ihm derart um den Bart zu gehen, ihm solchergestalt Speckschwärtchen durch den Mund zu ziehen und ihm eine schöne Versprechung nach der andern als Köder vorzuhalten, daß er ganz und gar von seinem finstern Verdacht zurückkam. Er bat um ein neues Stelldichein, und die schöne Tascherette, als ob sie selber den ganzen Abend an nichts anderes gedacht hätte, sagte:
    »Kommt morgen, mein Mann wird drei Tage zu Chenonceaux bleiben; die Königin möchte gern alte Stoffe färben lassen, da wird es von wegen der Farben eine lange Konferenz und Beratung geben, also ...«
    Carandas zog seine besten Sachen an und erschien auf die Minute. Das Abendmahl war vorzüglich, die Lampreten frisch, der Wein von der besten Lage zu Vouvray, das Tischtuch weiß wie Schnee – denn die ehemalige Wäscherin hatte die Farbe des Frischgewaschenen noch nicht vergessen; alles blinkte und blitzte, die Schüsseln und Teller aus Zinn waren eine wahre Freude anzusehen, und der Geruch der Speisen ließ dem Buckligen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Noch mehr jedoch ließ ihm die schöne Tascherette das Wasser im Mund zusammenlaufen, die herausfordernd dasaß in ihrem Sessel, lockend und lachend wie an seinem Zweig ein Borsdorfer Apfel, der das Gold des sonnigsten Sommertags zurückstrahlt. So verführerisch lächelte sie ihn an, daß er glaubte, er könne nicht anders und er müsse nun gleich einbeißen in die lachende Frucht (die man sich gewöhnlich für den Nachtisch aufzuheben pflegt) – als plötzlich Meister Taschereau heftig an der Haustür pochte.
    »Mein Gott, was ist geschehen?« rief die Färberin; »schnell, versteckt Euch in diesen Schrank ... ich bin, ohnedies Euretwegen schon gezankt worden; wenn Euch mein Mann hier fände, er wäre imstande, Euch den Garaus zu machen, denn Ihr ahnt

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