Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
nicht, wie heftig und bösartig er sein kann.«
Und also schiebt sie den Buckligen in den Schrank, steckt den Schlüssel zu sich und geht, ihrem Mann zu öffnen, den sie zum Abendessen erwartet hat. Da wird nun der Färber herzig geküßt, nicht nur auf die beiden Augen, sondern auch auf die beiden Ohren, und er selber gibt seiner Frau einen Schmatz, den man bis in die Straße hinunter hören konnte. Darauf setzt sich das Ehepaar zu Tisch, und nachdem sie eine Zeitlang gescherzt und geplaudert, gehen sie zu Bett. Der Mechanikus aber muß alles das mit anhören, aufrecht in dem engen Schrank, ohne sich zu rühren und zu räuspern. Wie eine Sardine in der Büchse war er zwischen dem Weißzeug eingeklemmt und hatte nicht mehr Luft, als die Karpfen Sonne haben in der Tiefe ihres schlammigen Wassers. An Unterhaltung fehlte es ihm jedoch nicht, die Seufzer des Färbers und die zierlich neckischen Erwiderungen der Tascherette, die ganze Musik dieses Liebeskonzerts hatte er gratis. Als er aber endlich den Gevatter eingeschlafen glaubte, suchte er die Schranktür aufzuhaken.
»Was gibt's?« rief der Färber.
»Was denn, mein Schatz?« antwortete die Frau, indem sie ihre Nase unter der Decke hervorstreckte.
»Hat es da nicht gekratzt?« sagte der Mann.
»Es wird die Katze gewesen sein, das bedeutet Regen.«
Da legte der Mann sich wieder aufs Ohr, die Frau jedoch konnte sich's nicht versagen, ihn noch ein bißchen zu hänseln.
»Du hast wahrhaftig einen allzu leichten Schlaf«, begann sie, »da dürfte man sich wohl in acht nehmen, wenn es einem beikommen sollte, dich in das bekannte Hochwild zu verwandeln. Ach, du kannst ruhig schlafen, Väterchen ... Aber deine Nachtmütze sitzt dir ja ganz schief auf dem Ohr. Komm, mein Engel, ich will sie dir zurechtrücken. Man muß immer hübsch sein, sogar im Schlaf. Liegst du jetzt gut?«
»Ja.«
»Schläfst du?« fragte sie ihn noch einmal, indem sie ihn küßte.
»Ja.«
Am andern Morgen schlich sich die Färberin an den Schrank, um den Mechanikus frei zu machen. Der Bucklige war bleicher als der Tod.
»Luft, Luft!« schnappte er.
Geheilt von seiner Liebe, machte er sich aus dem Staube und trug mehr Haß in seinem Herzen mit sich hinweg, als ein Hamster Weizen forttragen kann in seinen Backentaschen. Er verließ bald darauf die Stadt Tours und begab sich nach Brügge, wohin ihn ein Kaufmann berufen hatte, daß er ihm das Werkzeug zur Fabrikation von Panzerhemden herstelle.
Während seiner langen Abwesenheit brütete der genannte Carandas, dem maurisches Blut in den Adern rollte, denn er stammte von einem alten Sarazenen ab, der für tot auf dem Schlachtfeld geblieben war, als die Mohren und Franken sich das Gefecht auf der Heide geliefert hatten, die noch heute die Heide Karls des Großen genannt wird, wovon schon in der vorigen Erzählung die Rede war und wo kein Kräutlein wächst, weil die verfluchten Ungläubigen da begraben sind und nicht einmal eine Kuh hier ein Gras fressen mag ... Carandas, habe ich gesagt, brütete in dem fremden Lande bei Nacht und bei Tag über seinem Haß und hatte keinen andern Gedanken, als wie er recht teufelsmäßig seine Rache ins Werk setzen möge. Er plante nichts Geringeres als den Tod der schönen Färberin. »Ich will von ihrem Fleische essen«, sagte er oft zu sich selber; »beim Beelzebub, ich werde mir eine ihrer Brüste braten, und sie soll mir ohne Brühe schmecken.« Wahrlich, sein Haß war ein blutigroter, und er war in der Wolle gefärbt. Es war ein Kardinalhaß, ein Haß, giftig wie eine Hornisse oder wie eine alte Jungfer. Es war vielmehr aller Haß der Welt zusammengebraut in einen einzigen Haß, in dem es brodelte und gischte von einem teuflischen Elixier mit giftigen Dämpfen der Hölle, es war mit einem Wort ein verruchter Haß.
Eines schönen Tages tauchte dieser Carandas von neuem in der Stadt Tours auf. Er brachte schwer Geld mit, das er sich in Flamland durch den Handel mit seinen mechanischen Erfindungen erschachert hatte. Damit kaufte er sich ein schönes Haus in der Rue Montfumier, das noch heute zu sehen ist und von vielen neugierig bestaunt wird, weil in seiner Mauer seltsam lustige Figuren ausgemeißelt sind.
Im Hause seines Gevatters, des Färbers, fand der haßgierige Carandas vieles verändert. Der Gevatter hatte zwei hübsche Kinder, die unglücklicherweise weder der Mutter noch dem Vater im geringsten ähnlich sahen. Da aber Kinder doch mit irgendjemand in der Welt eine Ähnlichkeit haben müssen, so
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