Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
könnte. Er hatte in seinem Beutelchen zwei Dublonen, die er sorgfältiger schonte als seine Haut, da eine Haut nachwächst, zwei Dublonen aber keineswegs. Er nahm täglich nur so viel von seinem Schatz, um sich ein Brot und einige runzlige Äpfel für seine Mahlzeit zu kaufen, dazu trank
er, soviel ihm nur schmeckte, Wasser aus der Loire. Diese vorsichtige und vernünftige Lebensweise war nicht nur seinen Dublonen gesund, sie erhielt ihn auch selber frisch und behend wie einen Windhund und bewirkte, daß sein Kopf kühl und sein Herz warm blieb, denn das Wasser der Loire ist ein wahrhaft erwärmender Likör, da es von weither kommt und sich also sehr erhitzt, indem es überall die Kiesel rollt und rundet, bevor es die gute Stadt Tours erreicht.
Auch könnt ihr euch denken, daß sich der arme Schwartenhals tausendundein Abenteuer mit den wunderbarsten und seltsamsten Glücksfällen träumte, und es fehlte nur ein Haar, daß sie alle wahr und wahrhaftig geworden wären. Oh, die schönen Tage!
Eines Abends nun, als Jacques de Beaune – er schmückte sich mit diesem Namen, obwohl er in seinem Leben nicht an die Herrschaft von Beaune gerochen hatte –, als Jacques, sagte ich, den Wall entlang flanierte und gerade seinen Stern und die ganze Welt verfluchte, da just seine letzte Dublone Miene machte, ohne Urlaub das Weite zu suchen, wäre er, um eine Wegecke biegend, fast wider eine verschleierte Dame gerannt, die ihn einstweilen mit einer ganzen Nase voll köstlicher Wohlgerüche beschenkte.
Ihre Füße waren mit den feinsten Stiefelchen bekleidet, sie trug ein Kleid von italienischem Samt, mit langen, seidengefütterten Hängeärmeln, und – was dem Junker besonders vielversprechend in die Augen stach – durch ihren Schleier hindurch sah er einen weißen Diamanten von seltener Größe im Strahl der untergehenden Sonne zwischen einem Haargebäude blitzen, das so kunstreich gerollt, gelockt, gezopft und so akkurat aufgesteckt war, daß ihre Zofen wohl drei Stunden dazu gebraucht haben mochten. Ihr Gang war der einer Dame, die gewohnt ist, nur in der Sänfte auszugehen. Ein bewaffneter Leibwächter folgte ihr. Es war gewiß ein buhlerisches Weib, das mit Leib und Leben einem hohen Herrn zu eigen gehörte, oder auch eine Dame vom Hof, denn sie hob ihre Röcke ein wenig hoch auf; und wie nur allein die Damen der genannten Art, hatte sie ein gewisses wollüstiges Sichwiegen in den Hüften. Aber Herrin oder Hure, sie gefiel dem Herrn Jacques, der nicht den Heikeln spielte, sondern es sich in den Kopf setzte, so verzweifelt war er, sich der Unbekannten an die Fersen zu heften, und wenn es ihn das Leben kosten sollte. Er beschloß also, so lange hinter ihr her zu sein, bis er wüßte, wo sie wohnte, im Paradies oder im Pfuhl der Hölle, unterm Galgen oder im Bordell: alles schien ihm besser als seine jetzige Hungerleiderei.
Die Dame ging an der Loire hin, flußabwärts in der Richtung auf Le Plessis und atmete wie ein Karpfen die Kühle des Wassers. Sie schlenderte in aller Behäbigkeit und Gemächlichkeit und ließ neugierig ihre Augen umgehen nach allen Seiten wie eine Maus, die sich aus ihrem Loch gewagt hat und sich helläugig ein wenig die Welt beschaut. Als der schon erwähnte Leibwächter darauf aufmerksam wurde, daß Jacques nicht Miene machte, die Fährte seiner Herrin aufzugeben, und ihr nicht nur Schritt für Schritt folgte, sondern auch anhielt, wenn sie stehenblieb, und sie rücksichtslos und frech musterte, wie wenn er die Erlaubnis dazu habe, kehrte er sich einmal barsch um und drohte ihm mit einer Miene, die von derjenigen eines wütenden Bulldoggen nicht sehr verschieden war.
Aber der gute Tourainer ließ sich nicht einschüchtern; er meinte, wenn ein Hund, ohne daß es ihm jemand wehrt, zuschauen darf, wenn der Papst vorüberzieht, so werde es ihm, einem getauften Christen, doch nicht verwehrt sein, nach einer hübschen Frau hinzuschielen. Er ging jetzt der Dame voraus und tat so, als ob er dem Mann in Waffen freundlich zulächle, indem er zugleich bestrebt war, sich vor der Dame ein stolzes Ansehen zu geben. Sie ihrerseits sagte kein Wort, sie betrachtete den Himmel, der bereits sein Taggesicht mit dem Nachtgesicht vertauscht hatte. Die aufgehenden Sterne schienen ihr ein besonderes Vergnügen zu machen, und soweit ging alles gut. Als sie gegenüber von Portillon angelangt war, blieb sie einmal plötzlich stehen, warf, um besser zu sehen, den genannten Schleier auf die Schulter
Weitere Kostenlose Bücher