Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
kunstreiche Arbeit machen, und damit sollte der gute tugendhafte Erzbischof überrascht werden.
In all dieser Zeit hatte der genannte Prälat wieder so alle Hände voll Arbeit im Dienst für andre, daß ihm seine Hosen ganz und gar aus dem Gedächtnis gekommen waren. Er lernte nämlich bei Hof einen Edelmann kennen, der eben seine Frau verloren, als welche ein Teufel und eine Teufelin in einer Person war. Dieser trauernde Witwer hegte den lebhaften Wunsch, an Stelle der Verstorbenen eine Sanfte und Fromme zu nehmen, bei der er sich von der andern erholen und ohne Fährlichkeit für seine Ehre schöne und wohlgeratene Kinder zeugen könne. Er wandte sich mit diesem Anliegen an den Erzbischof, zu dem er volles Vertrauen hegte. Und der heilige Mann lobte ihm so über allen Schellenkönig das edle Fräulein von Poissy, daß die arme Schöne in kürzester Frist Frau von Genoihac wurde.
Die Hochzeit wurde im erzbischöflichen Palast zu Paris gefeiert, und ein Kranz schöner Damen aus der besten Gesellschaft, ja vom Hof selber, schmückte das Fest; die schönste aber von allen war die Braut in der Blüte ihrer Jungfräulichkeit, die vom Erzbischof verbürgt wurde.
Als schon Früchte, Eingemachtes und Gebackenes aufgetragen wurde in allerlei Schmuck und künstlicher Verzierung, trat plötzlich Saintot hinter den Erzbischof.
»Gnädiger Herr«, sagte er, »Eure geliebten Töchter in Gott vom Kloster zu Poissy schickten soeben eine Schüssel für Eure Tafel.«
»Setze sie in die Mitte«, sprach der freundliche Priester, der zu seiner Verwunderung einen hohen Aufbau vor sich sah von Samt und Seide, mit Stickereien in Gold und Silber, das Ganze in Form einer antiken Vase, der die feinsten Wohlgerüche entströmten.
Die Braut nahm den Deckel ab, und siehe, da war der Bauch ganz gefüllt von Zuckersachen, Spezereien, Marzipanen und tausend köstlichen Konfitüren, die man denn auch unverzüglich den Damen herumbot. War nun eine darunter, ebenso neugierig wie bigott, die unter all den Süßigkeiten ein seidenes Zipfelchen hervorragen sah und dem Verlangen nicht widerstehen konnte, daran zu zupfen und zu ziehen, so lange, bis das bewußte Habitaculum des männlichen Kompasses glorreich aus seiner Versenkung emporstieg, zur großen Verwirrung des guten Erzbischofs, zum allgemeinen Gaudium aber und Lachen der übrigen Gesellschaft.
»Wahrhaftig«, rief der Neuvermählte, »diese Schüssel verdiente den Ehrenplatz auf der Tafel. Die Fräulein von Poissy sind nicht dumm. Ihr Zuckerwerk ist bei einer Hochzeit wohl angebracht.«
Ich aber frage, ob es eine bessere Moral geben kann, als die der Herr von Genoihac damit aussprach? Und so kann ich es unterlassen, eine weitere hinzuzufügen.
Wie das Schloß von Azay erbaut wurde
Jehan, der Sohn des Simon Fournier, genannt Simonin, ein Bürger von Tours, der aber aus dem Dorf Moulinot bei Beaune stammte, von welcher Stadt er später, nachdem er das Amt eines Schatzmeisters bei Ludwig dem Elften erhalten hatte, nach dem Beispiel andrer den Namen annahm, floh eines Tages, da er bei dem König in Ungnade gefallen war, mit seiner Frau in die Languedoc und ließ seinen Sohn Jacques arm und nackt in der Stadt zurück. Dieser, der außer seiner Person nichts in der Welt besaß als seinen Mantel und seinen Degen, den aber die Alten, deren Hosenladen längst die Seele aufgegeben, als ungeheuer reich beneiden durften, brütete in seinem Gehirn den festen Entschluß aus, seinen Vater zu retten und sein Glück am Hof zu machen, der damals die gute Stadt Tours zu seiner Residenz erwählt hatte.
Alltäglich in aller Frühe verließ er seine Wohnung, und in seinen Mantel eingewickelt bis an die Nase, die er als Wegweiser benutzte, durchstreifte er kreuz und quer die Stadt, ohne von seiner Verdauung belästigt zu sein. Er trat in die Kirchen ein und bewunderte ihre Schönheit, inspizierte die Kapellen, beaugenscheinigte die Bilder, zählte Säulen und Pfeiler, kurz, betrug sich wie einer, der nicht weiß, was er mit seiner Zeit und mit seinem Geld anfangen soll. Manchmal tat er, als ob er einen Rosenkranz betete, aber in Wahrheit richtete er stumme Gebete an die Damen, bot ihnen beim Ausgang aus der Kirche das Weihwasser, folgte ihnen von weitem und war darauf bedacht, mit allerlei kleinen Aufmerksamkeiten ein hübsches Abenteuerchen zu ergattern, worin er, wenn er dabei nicht gerade in eine Degenklinge rannte, vielleicht einen mächtigen Beschützer oder eine huldreiche Geliebte finden
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