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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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zurück und musterte den Gesellen mit dem Blick eines gewitzigten Weibleins, das sich vergewissern möchte, wie es mit dem respektiven Männlein daran ist.

     
    Nun müßt ihr aber wissen, daß Jacques de Beaune unter gewissen Umständen die Arbeit von drei Ehemännern zu leisten vermochte und sich selbst an der Seite einer Prinzessin hätte sehen lassen dürfen, ohne ihr Schande zu machen, auch kühn und entschlossen dreinsah, wie es die Damen lieben. Auch konnte man nicht zweifeln, daß seine Haut, wenn er jetzt auch ein wenig gebräunt aussah von seinem vielen Herumflanieren unter der Sonne Gottes, im Schatten der Bettgardinen wie schönstes Elfenbein schimmern werde. Bei dem schlangenartig flüchtigen Blick der Dame sagte er sich, daß sie ganz gewiß ihr Meßbuch nicht oft mit solchen Augen ansah. Schöpfte also aus diesem verteufelten Blick die schönste Hoffnung auf ein nahes Liebesglück und war fest entschlossen, sein Abenteuer weiter zu treiben als nur bis zum Saum ihrer Schleppe, weiter und höher, selbst wenn es ihm nicht nur das Leben – daran lag ihm nichts –, sondern auch beide Ohren und vielleicht noch etwas anderes kosten sollte.

     
    Also hielt er sich weiterhin hart hinter der Dame, die durch die Rue des Trois-Pucelles wieder in die Stadt einlenkte und durch ein Gewirr von engen Gäßchen auf den viereckigen Platz gelangte, wo man später den Gasthof »Zum goldenen Kreuz« gebaut hat. Hier, vor dem Portal eines vornehmen Hauses, hielt sie an, und ihr Begleiter klopfte an das Tor. Nachdem ein Diener von innen geöffnet, trat die Dame ein, und die Tür fiel ins Schloß. Der Junker von Beaune aber stand mit aufgerissenem Mund davor und sah so dumm aus wie Sankt Dionys auf dem Monte Martyrium, ehe ihm der Einfall kam, seinen abgeschlagenen Kopf vom Boden aufzuheben und damit seines Weges zu ziehen. Er drehte seine Nase in die Höhe, um zu sehen, ob nicht aus einem Fenster ein Tröpfchen Gunst für ihn herunterfalle; aber er sah nichts als ein Licht, das erst die Treppe hinaufstieg, dann die Halle durchquerte und in einem hübschen Erker anhielt.

     
    Dort mußte also die schöne Dame wohnen. Da stand der arme Verliebte ganz melancholifiziert, ganz in Träume versunken, ratlos, was er beginnen solle. Plötzlich aber ging oben das Erkerfenster auf. Das gab ihm einen Ruck; er dachte nicht anders, als daß seine Dame ihm ein Zeichen geben wolle, und wieder drehte er die Nase in die Höhe. Aber ohne den vorspringenden Erker, der ihm nun als Regenschirm dienen mußte, wäre er über und über mit kaltem Wasser begossen worden, nicht zu reden vom Topf selber, von dem die Person, die dem Verliebten also den Kopf abzukühlen gedachte, auf einmal nur noch den Henkel in der Hand hielt. Jacques de Beaune war nicht übel zufrieden, daß die Sache so ablief, und er blieb die Antwort nicht schuldig; er ließ sich platt auf den Boden fallen und stöhnte wie ein Sterbender. Dann blieb er steckensteif zwischen den Scherben liegen und stellte sich tot, abwartend, was nun kommen werde. Da hörte er, wie drinnen eine große Bewegung unter dem Gesinde entstand, das offenbar in großer Angst vor der Dame war, der sie den Streich gestehen mußten. Dann öffnete sich rasch die Türe, und die Dienerschaft schickte sich an, den tödlich Verwundeten aufzuheben und ins Haus zu befördern. Jacques mußte sich Gewalt antun, um nicht über seinen eignen Leichenzug die Treppe hinauf laut herauszulachen.

     
    »Er ist schon kalt«, sagte ein Page.
    »Er ist ganz blutübergossen«, bemerkte der Hausmeister, der ihn betastete und das Wasser für Blut hielt. »Wenn er wieder zu sich kommt, will ich zu Sankt Gatian eine Messe stiften«, gelobte der Schuldige.

     
    »Unsre Frau ist nicht umsonst die Tochter ihres Vaters; wenn sie dich nicht aufhängen läßt, so wird es das geringste sein, daß sie dich
    aus ihrem Hause und ihrem Dienste jagt«, bemerkte ein Dritter, »denn er ist wahrhaftig tot, er wäre sonst nicht so schwer.«
    »So bin ich denn wirklich bei einer hohen Frau«, dachte Jacques.

     
    »Riecht er schon?« fragte der Junker, der das Unheil angerichtet hatte.
    Wie sie also mit großer Mühe den Tourainer die Wendeltreppe hinaufbeförderten, verfing sich einmal sein Wams in einem Haken des Geländers, und unwillkürlich rief der Tote: »Achtung, mein Wams!«
    »Er hat gestöhnt«, rief der Schuldige und atmete auf.

     
    Die Dienerschaft der Frau Regentin – denn es war der Palast dieser Dame, der Tochter des

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