Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Herren, warum habt ihr mich gerufen? Könnt ihr mir meinen Sohn wiedergeben, dessen Seele von einem Leibe verschlungen worden, der allen das Leben nimmt und keinem das Leben gibt? Unfruchtbar aber ist allein der Teufel. Dies ist mein Zeugnis, ihr Herren, und ich bitte den Meister Tournebouche, kein Jota davon auszulassen in seiner Niederschrift. Auch bitte ich ihn, mir eine Abschrift davon zu geben, um sie täglich in meinen Gebeten Gott vorzutragen, damit das vergossene Blut der Unschuld zum Himmel schreie und ich von seiner unendlichen Barmherzigkeit die Verzeihung erflehe für meinen Sohn.‹
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Folgen danach im Protokoll des Meisters Tournebouche noch siebenundzwanzig andre Aussagen, die hier wiederzugeben nach ihrem Wortlaut und vollem Umfang den Verlauf der Geschehnisse zu sehr in die Länge ziehen, den Faden unsres prozessualen Verfahrens verwirren und unsre seltsame Geschichte vom geraden Ziel ablenken würde, da doch, wie schon die Akten in ihren Vorschriften betonen, eine gute Geschichte darin einem Stier gleichen soll, der geradeaus und ohne Umschweife auf die Sache losgeht. Sei also in wenigen Worten nur die Quintessenz dieser verschiedenen Zeugenaussagen niedergelegt.
Durch eine große Anzahl guter Christen, Bürger und Bürgerinnen, Bewohner der edlen Stadt Tours, wurde eidlich ausgesagt:
Dieser Dämon habe tagtäglich tolle Hochzeiten und wahrhaft königliche Feste gehalten; niemals habe man ihn in einer Kirche gesehen; er habe Gott verflucht; er habe über die Priester gespottet; er habe sich niemals mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnet; er habe in allen Zungen der Erde geredet, welche Gnade doch allein den Aposteln von Gott verliehen worden; er sei oft im Freien gesehen worden, reitend auf einem seltsamlich fremden Tier, das vor den Wolken herzog; er sei nie gealtert, sondern immer jung geblieben in seinem Aussehen. Dieses Weib, eigentlich der Teufel, habe sich den Gürtel lösen lassen von Vater und Sohn an demselben Tage und gesagt, bei ihr sei das keine Sünde; sichtbar sei ein bösartiger und zwingender Zauber von ihr ausgegangen, dergestalt, daß ein Schneider, an dessen Bude sie vorübergegangen, so durch ihren Anblick von der Brunst übermannt worden, daß er sich auf seine Frau gestürzt und am andern Morgen tot aufgefunden worden, das Weib immer noch umschlingend im Starrkrampf der Liebe. Alte Männer der Stadt hätten den schwachen Rest ihrer Tage und ihrer Taler ihr zugetragen, um noch einmal in den Sünden ihrer Jugend zu schwelgen, und seien darüber hingestorben wie die Mücken zum Gewinn der Hölle, wobei einige schwarz geworden gleich den Mohren. Niemals habe dieser weibliche Dämon jemand bei seinen Mahlzeiten zugelassen, Frühimbiß, Mittagsmahl oder Vesperbrot, sondern habe stets einsam und allein gespeist, weil er sich von menschlichem Gehirn genährt. Er sei öfter bei Nacht auf Kirchhöfen gesehen worden, wo er junge männliche Leichname ausgegraben, da der Teufel, der wie ein eingeschlossener Gewittersturm in den Eingeweiden dieses Weibs hauste, sich an den Lebendigen nicht genugtun konnte. Durch diesen Teufel in ihrem Leib sei die Hexe zu einer wahren Furie und Windsbraut geworden in ihren Umarmungen, Umklammerungen und sonstigen Teufeleien der Liebe und Wollust, aus denen die Männer zurückkamen mit blauen Mälern und zerschlagenen Gliedern, zerrissen, zerkratzt, zerquetscht, also daß seit der Zeit, da Unser Heiland den Oberteufel in eine Sauherde verbannt, kein so bösartiges, giftiges, unheilvolles Tier auf dieser Erde gesehen worden, dergestalt, daß, wenn man ihm die ganze Stadt Tours zum Fraß hinwürfe, die Bestie sie wegschnappen würde nicht anders wie eine Erdbeere.
Außerdem standen noch eine ganze Menge anderer Aussagen, Zeugnisse und Beweise in dem genannten richterlichen Instrumentum, aus denen die infernalische Abstammung dieser Muhme, Schwester, Hausfrau, Großmutter oder Tochter des Teufels klar erhellet, abgesehen von den schon an und für sich genügenden Proben ihrer bösartigen Handlungen und des vielerlei Unglücks, das sie über zahlreiche Familien der Stadt gebracht. Und wenn es möglich wäre, allen diesen Missetaten und Greueln hier Raum zu geben, so wie sie in der Anklageschrift eins nach dem andern von Meister Guillaume Tournebouche aufgeführt sind und mehrere Hefte füllen, würde man einen Begriff bekommen von dem furchtbaren Entsetzen der Ägyptianer am Tag ihrer siebenten Plage. Denn wahrlich, der genannte Meister
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