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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Tournebouche hat sich keinen kleinen Ruhm erworben und ein wahres Meisterstück geleistet mit seinen Protokollen.

     
    Nach der zehnten Tagfahrt wurden die Zeugenverhöre abgeschlossen, da nun genügendes Material von authentischen Zeugnissen, Einzelheiten, Behauptungen, Gegenbehauptungen, Anklagen, öffentlichen und geheimen Beichten, Schwüren, Vergleichen und Kontroversen, Vertagungen, Vorladungen et cetera sich angehäuft hatten, auf die der Dämon nun zu erwidern haben wird; kurz, soviel schriftliches Beweismaterial, daß die Bürger von Tours den Ausspruch getan: auch wenn diese Frau eine wirkliche Teufelin und mit inwendigen Krallen und Hörnern versehen sein sollte, womit sie die Männer gegabelt und zerbrochen, würde es ihr doch schwer werden, sich durch dieses Maschenwerk von geschriebenen Anklagen hindurchzuwinden, um heil und sicher die Hölle wieder zu erreichen.

II. Wie dem Teufel in Weibsgestalt nun der Prozeß gemacht wurde

     
    In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen.
    Im Jahre nach Unsres Herrn Geburt Eintausendzweihundertundeinundsiebzig sind vor Uns, Hieronymus Cornill, Groß-Pönitentiario und Strafrichter in Sachen der kirchlichen Gerichtsbarkeit, erschienen:
    Der edle Herr Philippe von Ydré, Amtmann der Stadt Tours und Kreishauptmann der Provinz Touraine, wohnhaft in seinem Hause an der Rue de la Rostisserie zu Chasteauneuf; Meister Jehan Ribou, Schöffe und Gildemeister der Tuchmacherbruderschaft, aus dem Hause mit dem Bilde der ›Befreiung Petri‹ am Quai de Bretagne; Meister Antoine Jahan, Obmann und Zunftrichter der Wechslerinnung, wohnhaft vor der Brücke, in dem Hause mit dem Bild des ›Heiligen Markus, wie er Tourainer Gulden aufzählte‹; Meister Martin Maupertuis, Hauptmann der städtischen Bogenschützen, mit seinem Quartier im Schloß; Jehan Rabelais, Schiffbaumeister und Schatzhalter der Schifferbruderschaft, mit einem eignen Hause am Hafen der Insel Saint-Jacques; Markus Hieronymus, genannt Maschefer, Schuster im Hause ›Zum heiligen Sebastian‹ und Vorstand der Zunftmeister; und endlich Jacques, genannt Villedomer, Weinbauer und Herbergsvater ›Zum goldenen Tannenzapfen‹ in der Hauptstraße:

     
    Diesem genannten edlen Herrn von Ydré, Kreishauptmann, wie den genannten Bürgern von Tours haben Wir die folgende Beschwerdeschrift vorgelesen, die von ihnen aufgesetzt und unterzeichnet worden, um dem geistlichen Gerichtshof vorgelegt zu werden.
    Klageschrift
    Wir Endesunterzeichnete, Bürger von Tours, haben uns im Hause unsres gnädigen Herrn von Ydré, Kreishauptmanns von Tourains in Abwesenheit unsres Herrn Bürgermeisters versammelt und haben ihn ersucht, unsre Beschwerden und Klagen entgegenzunehmen über die folgenden Tatsachen, die wir dem geistlichen und erzbischöflichen Gericht zu unterbreiten gewillt sind, als welches in dieser Materie zuständig ist.
    Seit einer geraumen Zeit lebt in unsrer Stadt auf dem Gute Saint-Étienne, in dem Hause des Schankwirts Jehan Tortebras, zur Domäne des erzbischöflichen Kapitels gehörig und unter der weltlichen Gerichtsbarkeit des Erzbischofs stehend, ein Teufel in Weibsgestalt. Diese Braut des Satans treibt das Handwerk einer öffentlichen Hure, das sie solchergestalt überbietet und mißbraucht, daß diejenigen, so hingehen, sie zu besuchen, mit verlorner Seele zurückkehren und in gräßlicher Weise die heilige Kirche und ihre Hilfe verspotten, woraus unsrer heiligen katholischen Religion große Gefahr erwächst.
    In Anbetracht nun, daß eine Anzahl derjenigen, die sich mit ihr verbunden, gestorben sind und daß diese Teufelin, die nackt und bloß in unsre Stadt gekommen, nach dem Sagen der Leute unermeßliche Reichtümer besitzt, königliche Schätze, die sie im Verdacht steht, mit teuflischen Mitteln und durch übernatürliche und zauberische Anziehungskraft, wenn nicht durch Diebstahl erworben zu haben;
    In Anbetracht, daß es sich um die Ehre und Sicherheit unserer Familien handelt, da man niemals in dieser Stadt eine Frau oder öffentliches Weib gekannt hat, welches das Gewerbe der Hurerei so auf den Gipfel getrieben und so offenkundig und schmählich die Sitten, die Religion, die Keuschheit, das Vermögen und die Gesundheit der Bewohner gefährdet hätte;
    In Anbetracht, daß es dringend geboten ist, die Person, die Habe und die Ausschreitungen dieses Weibsbilds einer Untersuchung zu unterziehen, um den Umstand aufzuklären, ob man ihre Aufführung in Sachen der Liebe, alsgestalt es den Anschein hat,

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