Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Grund zu kommen, eingeleitet und haben zunächst der Angeklagten folgende Fragen vorgelegt.
    In erster Linie haben Wir an die Angeklagte die Aufforderung gerichtet, Uns zu sagen, in welcher Stadt und in welchem Land sie geboren sei.
    Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    ›In Mauretanien.‹
    Haben Wir sodann die Angeklagte aufgefordert, Uns zu sagen, ob sie Vater, Mutter oder sonstige Anverwandte besitze, und wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    ›Ich habe sie nie gekannt.‹
    Dann haben Wir sie gefragt, welches ihr Name sei. Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    ›Zulma in arabischer Sprache.‹
    Haben Wir weiterhin dann die Frage an sie gerichtet, warum sie die Sprache unsres Landes spreche, und wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    »Weil ich in diesem Lande gewohnt habe.«
    Dann haben Wir, der Richter, sie gefragt, zu welcher Zeit sie in das Land gekommen.
    Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    »Vor ungefähr zwölf Jahren.«
    Haben Wir sie weiterhin gefragt, wie alt sie damals war, und wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    »Ungefähr fünfzehn Jahre.«
    Dann haben Wir erwidert:
    »Also gebt Ihr zu, siebenundzwanzig Jahre alt zu sein?«
    Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet: »Ja.«
    Haben Wir weiterhin die Frage gestellt:
    »So seid Ihr also die Mohrin, die in der Nische Unsrer Lieben Frau gefunden, die durch den Herrn Erzbischof getauft und über das Taufbecken gehalten worden ist von dem verstorbenen Herrn Grafen von Roche-Corbon und dem Fräulein von Azay, seiner zukünftigen Gemahlin; dieselbe Mohrin, die hierauf in dem Kloster vom Mont-Carmel eingekleidet worden und unter Namensanrufung und Beistand der heiligen Klara die Gelübde der Keuschheit, Armut, Schweigsamkeit und des Gehorsams in Gott abgelegt hat?«
    Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    »Die bin ich.«
    Weiter haben Wir gefragt, ob die Angeklagte die Aussagen der hochwürdigen und hochedlen Frau Äbtissin vom Kloster Mont-Carmel und ebenso die Aussage der Jacquette, genannt Dreck-Schminke, ehemaligen Küchenmagd daselbst, für wahr anerkenne?
    Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    »Sie sind zum größten Teil wahr.«
    Haben Wir dann gefragt:
    »Also seid Ihr Christin?«
    Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    ›Ja, mein Vater. ‹
    Hier wurde die Angeklagte von Uns aufgefordert, das Zeichen des Kreuzes zu machen und aus einem Becken, das ihr Meister Tournebouche gereicht, Weihwasser zu nehmen. Solches tat sie, und haben Wir dies mit eigenen Augen gesehen, worauf von Uns festgestellt wurde: daß die hier gegenwärtige Zulma, Mauretanierin von Geburt, die hierzulande unter dem Namen Blancheflor Bruyn getauft, später in dem Kloster der Karmeliterinnen als Schwester Claire eingekleidet worden und die der Ketzerei und Zauberei beschuldigt vor Uns steht, die Kompetenz Unsres geistlichen Gerichts über sich anerkennt.
    Wir sind dann in Unserm Verhör fortgefahren.
    »Meine Tochter, durch die ganz und gar übernatürliche Weise, wie Ihr aus dem Kloster entkommen seid, habt Ihr den Verdacht auf Euch gezogen, mit dem Teufel im Bündnis zu stehen und Euch seines Beistandes zu erfreuen.«
    Wurde von ihr, der Angeklagten, geantwortet:
    Sie sei auf ganz natürliche Weise und gemeinem Weg und Ausgang entkommen, indem sie nach der Vesper, verborgen unter der Soutane des klösterlichen Visitators, des Herrn Jehan von Marsilis, das Freie gewonnen habe. Dieser Herr von Marsilis habe sie dann in einem kleinen, ihm gehörigen Häuschen in der Rue du Cupidon nahe beim Stadttor versteckt gehalten und habe sie da sehr gründlich und mit viel Eifer in die süßen Mysterien der Liebe eingeweiht, die ihr, der Angeklagten, bis dahin ganz und gar unbekannt geblieben waren, ihr jedoch sehr schnell eingeleuchtet hätten.

     
    Da habe sie eines Tages durch den Fensterladen der Herr von Amboise bemerkt und sei von einer großen Liebe zu ihr ergriffen worden. Und da ihr der edle Herr besser gefallen als der Mönch, der sie zu seinem Vergnügen gefangengehalten, sei sie in großer Eile nach Amboise, dem Schloß des genannten Edelmanns, geflohen, wo man ihr tausend vergnügliche Zeitvertreibe geboten, wie die Jagd, den Tanz, und wo sie sich habe schmücken dürfen wie eine Königin. Eines Tags aber war, wie die Angeklagte weiter erzählt, der Herr von Roche-Pozay von dem Herrn von Amboise zu Gaste geladen worden, und als diese beiden vergnüglich beim Becher und Würfelspiel saßen, sei ihrem

Weitere Kostenlose Bücher