Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
ihrer teuflischen Natur zuschreiben muß, wie denn oft solche Teufel in Gestalt von Weibern die Christenheit heimsuchen und es auch in den Evangelien geschrieben steht, daß Unser Heiland auf einen Berg geführt worden, von wo ihm Luzifer oder Astaroth die fruchtbaren Gegenden von Judäa gezeigt, und wie es auch sonst an andern Orten Hexen und Teufel gegeben, die in weiblicher Gestalt umgegangen sind und nicht mehr in die Hölle zurückkehren wollten, sondern ihren heißen höllischen Hunger mit christlichen Seelen gestillt haben;
In Anbetracht ferner, daß dem besagten Weibe tausend Teufeleien nachgewiesen werden können, von denen jedermann offen spricht, und daß schon zur eigenen Sicherheit des genannten Weibsbilds eine gründliche Untersuchung und Schlichtung der Sache notwendig ist, damit nicht eines Tages diejenigen über sie herfallen, die sie durch ihre Greuel ins Unglück gebracht hat:
In Anbetracht alles dessen bitten wir untertänigst, daß es Euer Hochehrwürden gefalle, diese unsre Klage unserm gnädigen Herrn und geistlichen Vater, dem sehr edlen und hochwürdigen Herrn Erzbischof Jehan von Monsoreau vorzutragen, damit er der Bedrängnis seiner betrübten Herde abhelfe, und Ihr hiermit die Pflichten Eures Amts erfüllt, ebenso wie wir als Diener der Sicherheit dieser Stadt mit dem Gegenwärtigen die unsrigen erfüllen, jeder im Umkreis seiner amtlichen Befugnisse und Obliegenheiten. Und haben wir Gegenwärtiges unterzeichnet im Jahre nach Unsres Herrn Geburt Eintausendzweihundertundeinundsiebzig, am Tage Allerheiligen, nach der Messe.
(Folgen die Unterschriften.)
Nachdem nun von Meister Tournebouche die Verlesung beendet worden, wurde von Uns, Hieronymus Cornill, also zu den Klägern gesprochen:
›Besteht ihr, liebe Herren, auch heute noch auf euren Aussagen, habt ihr noch andere Beweise als die Uns zur Kenntnis gekommenen, und verpflichtet ihr euch, die Wahrheit zu bekennen vor Gott, vor den Menschen und vor der Angeklagten?‹
Alle außer Meister Rabelais sind auf ihren Aussagen stehengeblieben, der genannte Rabelais aber hat sich von der Anklage zurückgezogen, indem er sagte, daß er jene Mohrin für eine natürliche Frau und ein gutmütiges Weibsbild halte, das keinen andern Fehler habe, als daß die Temperatur ihrer Liebe ein wenig allzu hitzig sei.
Also haben Wir, der beauftragte Richter, nach reiflicher Überlegung beschlossen, der Anklage der genannten Bürger Folge zu geben und anzuordnen, daß der Frau, die im Gefängnis des Kapitels in Gewahrsam gehalten wird, nach den kanonischen Vorschriften und der Lex contra daemonios der Prozeß gemacht wird. Und sollen darum die genannten Vorschriften und Verordnungen in Form einer Vorladung veröffentlicht und vom Ausrufer der Stadt unter Trompetenstößen auf allen Märkten und Plätzen öffentlich ausgerufen werden, daß männiglich davon Kenntnis nehme und ein jeglicher Zeuge mit seinem Gewissen zu Rat gehe, bevor er dem genannten Dämon Aug in Aug gegenübergestellt wird. Soll auch der genannten Angeklagten nach Brauch und Herkommen ein Verteidiger zugesprochen werden und darauf Verhör und Prozeß, Unsern Satzungen und Ordnungen gemäß, ihren Verlauf nehmen.
(Gezeichnet:) Hieronymus Cornill.
(Weiter unten:) Tournebouche.
†In nomine Patris , et Filii, et Spiritus Sancti. Amen.
Im Jahre nach Unsres Herrn Geburt Eintausendzweihundertundzweiundsiebzig, am zehnten Mensis Februarii, nach der Messe, ist Uns, Hieronymus Cornill, geistlichem Straf-Oberrichter, auf Unsern Befehl aus dem Gefängnis des Kapitels vorgeführt worden die Frau, welche, als wohnhaft in dem Hause des Gastwirts Tortebras, das auf der Domäne des Kapitels der Kathedrale von St-Maurice gelegen ist und unter die herrschaftliche und weltliche Jurisdiktion Unsres gnädigen Herrn Erzbischofs gehört, während das ihr vorgeworfene Verbrechen seiner Natur nach der geistlichen Gerichtsbarkeit unterliegt, was Wir ihr zu wissen und kundgetan haben, damit sie darüber nicht im unklaren sei.
Nachdem Wir diesem Weibsbild zuvörderst die Anklageschrift der Stadt und hierauf alle Aussagen und Zeugnisse, Anschuldigungen, Prozeduren und Verhöre, wie sie in zweiundzwanzig Heften von Meister Tournebouche niedergeschrieben worden und vorstehend eingeheftet sind, in allen Teilen ernst und deutlich vorgelesen und die Angeklagte versichert hat, alles verstanden zu haben, haben Wir unter Anrufung Gottes und des Beistands seiner Kirche das inquisitorische Verfahren, der Wahrheit auf den
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