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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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abgeben sollen nicht um der Lust willen, sondern um uns zu kasteien und in der Kasteiung zu heiligen. Außerdem lehrt uns diese Geschichte, daß man mit der Kirche und ihren Dienern nicht Streit und Händel anfangen soll.
    *
    Der König und die Königin fanden diese Historie durchaus nach ihrem Geschmack, die Höflinge gestanden, daß sie schon lange nichts so Lustiges gehört hatten, und die Hofdamen alle hätten gewünscht, die Geschichte gemacht zu haben.

Die reuige Berthe

     
I. Wie Berthe im Stand der Ehe eine Jungfrau blieb
    Ungefähr um die Zeit der ersten Flucht des Kronprinzen, die unserm guten gnädigen Herrn Karl dem Siegreichen soviel Verdruß gebracht hat, ereignete sich in einer vornehmen Familie des Tourainer Lands ein trauriger und beklagenswerter Vorfall, der, da dies Geschlecht gänzlich erloschen und ausgestorben ist, hier erzählt werden mag.
    Möchten die Heiligen Gottes, Bekenner, Märtyrer und andre himmlische Herrschaften, die auf Befehl des Allerhöchsten dem Guten zuletzt zum Sieg verholfen haben in diesem Abenteuer, auch dem Autor ihren Beistand nicht versagen.
    Herr Imbert von Bastarnay, einer der größten Grundbesitzer des Tourainer Landes, war so seltsamen Charakters, daß er wie keiner unsrer Spezies den Weibsen aus dem Wege ging. Sie dünkten ihn zu unruhig und unbeständig. Und vielleicht hatte er recht.
    So war er denn ohne Gefährtin allmählich ein bejahrter Herr geworden, der sich keineswegs vorteilhaft in seinem Äußern auszeichnete. Immer nur auf Kriegsfahrten und in soldatischen Unternehmungen begriffen, immer allein oder in der Gesellschaft von ruppigen Junggesellen, mit denen er sich keinen Zwang anzutun brauchte, hatte er niemals gelernt, artig zu sein gegen andre. Er kam fast nie aus seinem Harnisch und war so ungewaschen und stinkend, die Hände immer geschwärzt, daß er, was sein Äußeres betrifft, eher einem Affen als einem Christenmenschen glich, während er Kopf und Herz durchaus auf dem rechten Fleck hatte und in seiner Seele Schätze verbarg, die ihm als Menschen einen hohen Wert verliehen. Kurz, ein Gesandter Gottes, ihr dürft mir's glauben, hätte weit suchen können, um einen treuem und tapferem Ritter, einen Mann von fleckenloserer Ehre zu finden als ihn.

     
    Auch wurde er von vielen, die ihn gehört hatten, gerühmt als weise im Rat und verständig in seiner Rede. Man möchte fast glauben, Gott habe einen schlechten Spaß machen wollen, indem er soviel Tugend in eine so abstoßende Hülle steckte.
    Als dieser edle Herr, der von jedermann für einen Sechziger gehalten wurde, obwohl er in Wahrheit erst fünfzig auf dem Rücken hatte, den Entschluß faßte, sich eine Frau aufzubürden, einzig und allein zu dem Zweck, um von ihr Nachkommenschaft zu erhalten, und also in dieser Absicht Umschau hielt unter den Töchtern des Landes, hörte er eines Tags die Vollkommenheit und Schönheit eines Fräuleins aus dem illustren Hause von Rohan rühmen, deren Familie in der Provinz große Lehen besaß, welches Fräulein mit ihrem Vornamen Berthe hieß. Imbert kam, um sie zu sehen, auf ihr väterliches Schloß Montbazon und ward von ihrer Schönheit und kindlichen Unschuld ganz bezaubert und entschloß sich noch in der ersten Stunde, sie zur Ehefrau zu nehmen, in der Voraussetzung, daß eine Jungfrau von so hoher Abkunft ihren ehelichen Pflichten niemals untreu werden könne. Sie wurde ihm auch ohne weiteres gewährt; denn der edle Herr von Rohan hatte sieben Töchter und wußte nicht, wie er in diesen schweren und bedrängten Zeiten, wo der Krieg und die Geschäfte fast allein die Männer in Anspruch nahmen, für jede einen Gemahl finden sollte.
    Der gute Bastarnay fand also seine Berthe in der Tat unberührt, ein Beweis, daß sie von ihrer Mutter vernünftig genährt und gelehrt worden, und in der ersten Nacht, in der er ihrer Jungfernschaft Herr wurde, schaffte er ihr ohne Umstände ein Kind, an dessen Vorhandensein er schon im zweiten Monat der Ehe zu seiner großen Freude nicht mehr zweifeln konnte.
    Hier ist zu sagen, daß aus diesem legitimen Zweige der spätere Herzog von Bastarnay abstammte, der bei dem guten König Ludwig dem Elften als dessen Kämmerer, ja Gesandter an den europäischen Höfen, kurz, als dessen treueste rechte Hand und unentbehrlichster Diener in großer Gnade stand. Diese Vasallentreue, eine seltene Blume im Garten der Fürsten und der Großen, hatte er vom Vater her ererbt, der seinem Herrn, dem Thronfolger, so treu ergeben war, daß er

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