Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Als der Abt die Nachricht vernahm, rief er alle Mönche nach der Kapelle und hielt ein feierliches Gebet ab für die arme Seele des unglücklichen Bruders.
    Unterdessen saß Amador aufschloß Candé beim Abendmahl. Nach dem Essen aber, indem er sich, die Briefe und Verträge wohlverwahrt in seiner Tasche, zur Heimkehr anschickte, fand er auf der Freitreppe des Schlosses den Zelter der gnädigen Frau gezäumt und gezügelt und daneben den Stallmeister, bereit, ihm den Steigbügel zu halten; der Schloßherr aber befahl all seinem bewaffneten Volk, den Mönch zu begleiten, damit er ohne Unfall in seiner Abtei anlange. Von dieser Zurüstung wurde Amador so gerührt, daß er die Unbilden vom vorherigen Abend von Herzen verzieh und allen seinen Segen erteilte, bevor er abzog von dem Orte, wo er soviel Gnade gewirkt. Ihr könnt euch denken, daß ihm manch ein schönes Auge nachblickte. Die Schloßherrin nannte ihn einen perfekten Reiter. Perrotte erklärte, daß sich dieser Mönch besser im Sattel halte als mancher Kriegsmann; das Fräulein von Candé seufzte. Die Kleine hätte ihn um ihr Leben gern zum Beichtvater gehabt.
    »Er hat dem Schlosse Heil und Segen gebracht«, erklärten alle, während sie in die Halle zurückkehrten.
    Unterdessen kam Amador mit seinem Gefolge vor die Abtei geritten, wo die ganze Mönchschaft in Furcht und Entsetzen geriet, weil sie nicht anders glaubte, als daß der von Candé noch trunken vom Blute Amadors, mit seiner Kriegsmacht heranrücke, um die Abtei dem Erdboden gleichzumachen.

     
    Aber Amador rief den Mönchen zu mit seiner breiten Stimme, daß sie ihn erkannten; sie ließen ihn ein, und während er im Hof vom Zelter der Schloßherrin herunterstieg, kamen nach und nach alle herbei. Und nachdem sie sich von ihrem Schrecken und ihrem Erstaunen erholt hatten, umringten und beglückwünschten sie ihren Bruder Amador, der das gesiegelte Pergament wie eine Siegesfahne über seinem Kopfe schwenkte. Die Kriegsleute des Herrn von Candé wurden mit dem besten Wein des Klosterkellers bewirtet; er war ein Geschenk derer von Marmoustiers, denen die berühmten Weinberge von Vouvray gehörten.

     
    »Hier sieht man«, sprach der Abt, nachdem man ihm den Inhalt des Pergaments vorgelesen, »deutlich den Finger Gottes, und so mögt ihr erkennen, daß auf seine Vorsehung zu vertrauen das beste Teil eines Christen ist.« Als aber der Abt noch oft auf diesen Finger Gottes zu sprechen kam, indem er Amador mit Dank überhäufte, wurde dieser allmählich unwirsch über diese Verkleinerung seines Verdienstes und brummte etwas in den Bart, was aber die Brüder nicht verstanden.
    »Ehrwürdiger Vater«, sprach er laut, »sagt lieber, daß es der Arm Gottes war, und damit wollen wir es gut sein lassen.«
    Die Beilegung seiner Streithändel mit dem Kloster war für den Herrn von Candé von einem hohen Glück begleitet, das ihn unsrer heiligen Kirche vollends geneigt machte. Er erhielt einen Sohn, genau neun Monate nach der Umwandlung seines heidnischen Sinns durch Bruder Amador. Dieser aber wurde zwei Jahre später von den Mönchen zum Abt erwählt. Sie hofften auf ein gutes Leben unter dem versoffenen Narren. Aber kaum in seine neue Würde eingesetzt, wurde Amador vernünftig und übte die strengste klösterliche Zucht, nicht nur an andern, sondern auch an sich selber; denn er hatte rechtzeitig seine Lust gebüßt und seine Seele rein gebrannt von ihren Schlacken in einem Feuer, in dem sich alles klärt und reinigt – dem Feuer der Frauenliebe, als welches das blitzendste, blitzelndste, kitzelndste, das reizendste, beizendste und einheizendste Feuer der Welt ist. Es ist zugleich das verzehrendste und verheerendste Feuer, und es hat in Bruder Amador alles verheert und verzehrt, was Schlimmes in ihm und an ihm war, und hat allein zurückgelassen, was es nicht verzehren konnte, nämlich seinen Geist, und hat ihn hell und klar gemacht wie Diamant, der, wie jedermann weiß, ein Ergebnis des großen Welt- und Urfeuers ist, in dem unser Erdball sich gehärtet hat.

     
    So wurde denn Amador das von der Vorsehung auserwählte Werkzeug, um unsre illustre Abtei von Grund aus zu reformieren; er wachte Tag und Nacht über seine Mönche, trieb sie aus den Betten zur festgesetzten Stunde, zählte sie in der Kapelle ab wie ein Hirt seine Schafe, hielt sie gut im Zaum, strafte streng das kleinste Vergehen wider die Regel, kurz, machte lauter Heilige aus seinen Mönchen.

     
    Daraus lernen wir, daß wir uns mit den Frauen

Weitere Kostenlose Bücher