Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)
ihm in allen Glückswendungen wie auch in seinen Rebellionen gegen den König unverbrüchlich anhing, ja daß er für ihn, wenn der Prinz es von ihm verlangt hätte, Christus zum zweitenmal gekreuzigt haben würde.
Die edle Dame von Bastarnay betrug sich im Anfang ihrer Ehe so tadellos, daß ihre beglückende Gegenwart alle schlimmen Gedanken und Meinungen über die Frauen aus dem Kopf des Ritters verscheuchte, wie lange sie auch darin eingerostet waren. Alle finstern Wolken des Verdachts verzogen sich, und hell strahlte auf einmal in seinen Augen der Ruhm der Frauen. Seine Art, in dieser Sache zu denken, schlug, wie dies oft vorkommt, vom tiefsten Mißtrauen in das tiefste Vertrauen um. Er überließ die Regierung seines Hauses ganz der genannten Berthe; er machte sie zur Herrin über seine Handlungen, Unternehmungen und alles, zur Königin seiner Ehre wie zur Wächterin seiner weißen Haare und würde jeden ohne weiteres niedergestoßen haben, der ihm auch nur die leiseste Verdächtigung zugeflüstert hätte über diesen Spiegel der Tugend, den in der Tat noch kein andrer Hauch getrübt hatte als von ehelichen und gemahligen Lippen, so frisch oder welk sie waren.
Doch um ganz ehrlich zu sein, muß ich hier sagen, daß an dieser Tugendhaftigkeit der kleine Bengel nicht wenig teilhatte, mit dem die hübsche Mutter sich während sechs Jahren Tag und Nacht beschäftigte, den sie mit ihrer Milch nährte aus ihrer jungen weißen Brust, in die er nach Kräften biß und die er mit seinen kleinen täppischen Händchen gehörig bearbeitete, ihr also quasi den Geliebten ersetzend. Diese gute Mutter kannte keine andern Liebkosungen als die der rosigen jungen Lippen dieses Kindes, keine andern Berührungen als von dessen kleinen Patschhändchen, die sie tätschelten und streichelten, sie las in keinem andern Buch als in dessen himmlisch blauen Augen, sie hörte keine andre Musik als die Laute, die aus dem Mund des Kleinen drangen und die für ihr Ohr dem Gesang der Engel glichen. Sie ward nie müde, ihn zu küssen, ihn zu herzen Tag und Nacht, und wenn sie ihn wickelte und bündelte, hätte sie ihn fressen mögen vor Zärtlichkeit; sie ward selber zum kleinen Kinde, um ihm ganz gleich zu sein, kurz, sie benahm sich mit ihm so toll, so närrisch, so verliebt und war fraglos die glücklichste und beste Mutter, die es je auf der Welt gegeben hat, ohne Unsrer Lieben Frau, der Heiligen Jungfrau, zu nahe treten zu wollen, die keine große Plage gehabt haben wird, um unsern Herrn und Heiland zu erziehen, als welcher ein Gott war und dessen nicht nötig hatte.
Dieses Gehaben seiner Frau und der geringe Geschmack, den sie an dem fand, was die Quintessenz der Ehe ist, freuten den guten Ehemann sehr; denn er hätte nicht gewußt, wie er ihren Ansprüchen genügen sollte, wenn es ihr eingefallen wäre, Ansprüche an ihn zu stellen. So beschränkte er sich auf eine weise Sparsamkeit, um im Notfall den Stoff zu einem zweiten Kinde stets bereit zu haben.
Nachdem aber so sechs Jahre verflossen waren, mußte die zärtliche Mutter ihren Sohn den Händen des Stallmeisters und andrer strenger Lehrer übergeben; denn der Herr von Bastarnay wollte, daß sein Sohn nicht nur der Erbe seines Namens und seiner Güter, sondern auch seiner Tapferkeit, Tüchtigkeit und aller kriegerischen Tugenden werde. Darüber weinte Berthe bitterlich. All ihr Glück war ihr von da an geraubt. Dieses zärtliche Mutterherz mußte nun allen andern nachstehen und konnte ihren geliebten Sohn nur noch in kleinen flüchtigen Augenblicken genießen. Sie verfiel darüber in eine düstere Melancholie, und als ihr Gatte das gewahrte, hätte er ihr gern ein zweites Kind geschenkt, welche löbliche Absicht ihm aber schnöde mißlang und worüber die gute Dame sich sehr grämte, da das Mittel zum Zweck, nämlich die Sache an sich, ihr sehr zuwider war und große Überwindung kostete, wie sie naiv eingestand. Sie sprach auch nur die lautere Wahrheit, und alle Dogmen würden zu Lügen, und ihr könntet ebensogut die heiligen Evangelien als Fälschungen verbrennen, als die Ehrlichkeit ihrer keuschen Rede bezweifeln. Um aber nicht in den Verdacht eines Aufschneiders zu kommen, nicht gerade bei den Männern, denn die kennen die Sache, aber vielleicht bei den Frauen, mag sich der Schreiber gern der Mühe unterziehen, die geheimen Gründe und Ursachen zu erklären und auseinanderzusetzen, warum Berthe vor den Dingen, die sonst die Damen über alles lieben, nur Ekel und Abscheu empfand,
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