Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)
mitspielt, wenn er versagt. Begreift ihr nun?
Dies ist aber die wahre Geschichte so mancher Ehen und nach dem Sagen der erfahrensten Leute der Grund von den verrückten und ganz närrischen Tollheiten so mancher Frauen, die eines Tages mit einem Male erkennen, wie sie getäuscht worden sind, und dann in einer einzigen Nacht alle Freuden eines ganzen Menschendaseins auskosten möchten, um sich am Tische des Lebens endlich auch einmal satt zu essen. Das ist Philosophie, meine Freunde! Merkt euch diese Zeilen gut und zieht euch eine Lehre daraus, wie ihr eure Frau, euer Liebchen oder was euch Gott sonst zu eurem Unglück anvertraut hat, am weisesten behüten und bewahren mögt, wovor mich Gott bewahr!
So war denn Berthe, obwohl sie Mutter geworden, Jungfrau geblieben. Sie stand jetzt in ihrem einundzwanzigsten Jahr und bildete den Ruhm der ganzen Provinz, die Freude des Schlosses, den Stolz und die Augenweide ihres Mannes. Sie war schlank und biegsam wie eine Weide, behend wie ein Reh, voll kindlicher Unschuld wie ihr kleiner Sohn und doch verständig in ihrem Sinn, also daß ihr Mann nichts unternahm, ohne sie zuvor um ihren Rat zu fragen; denn der Geist eines solchen Engels, durch nichts in seiner reinen Klarheit getrübt, wird niemand irre leiten, der seine Zuversicht auf ihn setzt.
Die genannte Berthe wohnte damals in der Nähe der Stadt Loches auf dem Schloß ihres Gemahls und kannte wie alle Edeldamen der alten Zeit keine andere Beschäftigung oder Zerstreuung als die Sorge um ihr Hauswesen, von welcher Sitte die Damen von Frankreich seit der Regierung der Königin Cathérine, der Italienerin, leider abgekommen sind.
Unter der Herrschaft dieser Fremden sowie der des Königs Franz, der ihr sehr ergeben war, und dessen Nachfolgern wurden nur noch üppige Feste und höfische Zeremonien gefeiert, ein Umstand, der später im Verein mit den Machinationen der Ketzer den Ruin des Staats heraufbeschworen hat. Aber das gehört nicht hierher.
Um diese Zeit also hielt der König hof in der Stadt Loches, und der Herr von Bastarnay sowie seine Gemahlin, deren Ruhm schon bis zum König gedrungen war, wurden aufgefordert, am Hofe zu erscheinen.
So kam Frau Berthe nach Loches, bekam vom König viel Schmeichelhaftes zu hören und ward huldigend umringt von allen jungen Edelleuten, die die saftige Frucht mit den Augen verschlangen, wie nicht weniger von den alten, die sich an dieser Sonne das Herz wieder ein bißchen aufwärmten. Alle, Alte und Junge, würden gern in den Tod gegangen sein, wenn sie damit erreicht hätten, diese bezaubernde Schönheit einmal genießen zu dürfen, die den Blick blendete und das Gehirn verwirrte. Und am ganzen Hofe war bald von der schönen Berthe mehr die Rede als in den heiligen Evangelien vom lieben Gott, zum großen Ärger einer großen Anzahl von Damen, die, nicht mit soviel Reizen ausgestattet, gern dem abscheulichsten Höfling zehn Nächte gewährt hätten, wenn es ihnen verstattet worden wäre, die hübsche Eroberin auf ihr Schloß zurückzuschicken.
Eine gewisse Dame machte bald die Wahrnehmung, daß einer ihrer Freunde sich ganz toll in die schöne Berthe verliebte, und faßte darüber einen heftigen Groll, womit sie den Grund zu allen zukünftigen Leiden, aber auch zum Glück der Dame von Bastarnay legte, die dadurch zur Entdeckung des Zauberlands gelangte, das die Liebe heißt und deren wahres Geheimnis ihr bis dahin ein Buch mit sieben Siegeln geblieben war.
Jenes schlechte Weib hatte einen Vetter, kaum zwanzig Jahre alt und schön wie ein Mädchen. Kein Härlein sproßte ihm am Kinn, und seine junge Stimme war so melodisch, daß sie seinen schlimmsten Feind gerührt haben würde. Der junge Mann gestand seiner Verwandten, daß er gern sterben wolle, wenn er die Liebe der schönen Berthe genossen hätte.
»Mein werter Vetter«, sagte sie ihm, »verlaßt diesen Saal und begebt Euch in Eure Wohnung; ich verpflichte mich, Euch dieses Glück zu verschaffen. Aber nehmt Euch in acht, daß Ihr Euch nicht vor der Dame sehen laßt noch vor dem alten Pavian, der aus Versehen von der Natur zu einem Christenmenschen gemacht worden ist und dem diese schöne Fee angehört.«
Nachdem der Vetter sich also versteckt, machte sich das falsche Weib an Berthe heran, nannte sie ihre Freundin, ihr Schätzchen, einen Stern der Schönheit und die Sonne des Festes, kurz, schmeichelte ihr auf jede Art, um sich dadurch um so besser an der Armen rächen zu können, die ihr, ohne es zu wissen, ihren
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