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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sprechen, bis die alte Fallotte dagewesen wäre. Und so brachten die beiden die Zeit des Wartens damit zu, sich ihre Liebe mit den Augen zu beteuern. Aus denen Berthes blickte zwar nur das Mitleid, aber das ist unter dieser Verkettung der Umstände von der Liebe nicht weit entfernt.

     
    Die Fallotte, ein buckliges altes Weib, stand sehr im Verdacht der Zauberei, und man sagte, daß sie jede Nacht des Sabbats auf dem Besen durch den Kamin davonreite. Viele wollten sie gesehen haben, wie sie in ihrer Stallung, als welches bei den Hexen bekanntlich die Dachtraufe ist, ihren Besen schmierte und anschirrte. Die Wahrheit zu sagen, war sie in den Geheimnissen der Heilkunst wohlerfahren und leistete den vornehmen Damen und Herren in mancherlei Angelegenheiten gute Dienste, infolgedessen sie ihr Leben in ungestörter Ruhe verbrachte und ihre Seele nicht auf einem Holzstoß, sondern in einem guten Federnbett aushauchte, nachdem sie einen ganzen Haufen Gulden zusammengespart hatte, was wohl der Grund war, warum die Physikusse und Apothekariusse sie immer verdächtigt hatten, mit Giften und Zauberkünsten einen schlimmen Handel zu treiben. Die Gifte und Salbereien stimmten übrigens, was aus dieser Geschichte klar hervorgehen wird. Kam also die alte Fallotte, zwar nicht auf einem Beselein, dafür aber auf einem Eselein, eiligst mit der Kammerzofe angeritten, so daß der Tag noch nicht graute, als sie im Schlosse anlangten.
    »Nun, Kinder, was gibt's?« fragte sie, als sie in die Halle eintrat. Es war so ihre Art, ohne viel Federlesens mit den großen Damen und Herren umzuspringen, die ihr sehr klein vorkamen. Sie setzte ihre Brille auf und untersuchte die Wunde sehr geschickt.

     
    »Das ist schönes Blut, meine Liebe«, schmunzelte sie. »Ihr habt gewiß davon gekostet. Er hat nach außen geblutet, das ist gut.«
    Und sie wusch bei diesen Worten die Wunde mit einem feinen Schwamm, alles vor den Augen der Dame und ihrer Zofe, die atemlos dabeistanden. Dann erklärte sie mit bestimmtem Ton, daß der edle Herr an diesem Stoß nicht sterben, aber dennoch, wie sie in seiner Hand lese, infolge dieser Nacht dereinst durch einen gewaltsamen Tod umkommen werde. Über diesen unheimlichen prophetischen Ausspruch entsetzten sich Berthe und ihre Dienerin nicht wenig. Die alte Fallotte aber gab die nötigsten und dringlichsten Vorschriften und versprach, in der nächsten Nacht wiederzukommen.

     
    Sie pflegte in der Tat den Verwundeten während vierzehn Tagen, indem sie jede Nacht heimlich auf das Schloß kam. Den Bediensteten des Schlosses sagte die Kammerzofe, Fräulein Sylvia von Rohan sei infolge einer Geschwulst des Leibes auf den Tod erkrankt, was mit Rücksicht auf deren Base, die gnädige Frau, geheimbleiben solle. Jeder war durch diese Lüge befriedigt und hatte das Maul so voll davon, um auch den andern noch etwas abgeben zu können.

     
    Die guten Leute schwatzten viel von dem gefährlichen Übel, aber in Wirklichkeit lag die Gefahr in der Genesung. Denn je stärker der Jüngling wurde, um so schwächer wurde Berthe und ließ sich immer williger in die Rosenlauben des Paradieses locken, das ihr Jehan erschlossen hatte. Kurz, sie liebte ihn mehr und immer mehr. Aber mitten im Taumel ihrer Seligkeiten ward sie beständig gefoltert durch die drohenden Worte der alten Fallotte und ward gequält durch ihr frommes Gewissen und die Furcht vor Herrn Imbert, dem sie schreiben mußte, daß sie ein Kind von ihm empfangen, mit dem sie ihn bei seiner Rückkehr überraschen werde. Diese dicke Lüge lag ihr schwer auf der Seele, und an dem Tag, an dem sie diesen heuchlerischen Brief schrieb, mied die arme Berthe ihren Freund Jehan, denn sie weinte so bitterlich, daß ihr Nastüchlein von ihren Tränen ganz durchnäßt war. Da Jehan sich so verlassen sah (denn sonst ließen sie ebensowenig voneinander als das Feuer vom Holz), glaubte der Jüngling nicht anders, als daß ihn Berthe nicht mehr liebe, und verbohrte sich so in seinen Schmerz, bis ihm selber die Tränen aus den Augen quollen.

     
    Beim Nachtmahl gewahrte Berthe in ihres Freunds Augen die Spuren seiner Tränen, obwohl er versucht hatte, sie zu trocknen, und gestand ihm bewegten Herzens den Grund ihres Kummers und ihre Angst vor der Zukunft. Sie zeigte ihm, wie sehr sie beide gefehlt, und hielt ihm so schöne, so christliche, so mit Tränen untermischte Reden, daß Jehan im Innersten getroffen wurde von der gläubigen Frömmigkeit seiner Geliebten. Diese mit bittrer Reue

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