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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Gebieter.«
    Als Jehan hörte, daß sie gegen ihn nichts Böses sagte, erhob er sich, noch immer voll Bestürzung darüber, daß Berthe dieses schöne Spiel zu zweien so tragisch nahm. Aber sowie sie hörte, daß ihr Engel Gabriel sich bewege, war sie auch schon auf ihren Füßen und blickte ihn mit tränenüberströmtem Antlitz und mit Augen an, in denen ein heiliger Zorn flammte, der sie aber nur noch schöner erscheinen ließ.
    »Wenn Ihr Euch einen Schritt nähert, so bin ich des Todes!« rief sie, indem sie einen zierlichen Dolch ergriff.
    »Nicht an Euch ist es zu sterben, sondern an mir, geliebteste Herrin«, rief Jehan aus, der ihren furchtbaren Jammer endlich begriff, »denn mehr liebe ich Euch, als je eine Frau auf dieser Erde geliebt worden ist.«
    »Wenn Ihr mich wahrhaft liebtet«, entgegnete Berthe, »so hättet Ihr mir nicht so übel mitgespielt, denn ich will lieber sterben, als den Unwillen meines Gemahls erdulden.«
    »So ist es Euer Wunsch zu sterben?«
    »Ja.«

     
    »Nun denn, wenn ich hier von Dolchstichen durchbohrt niedersinke, so werdet Ihr von Eurem Gemahl leicht die Verzeihung erlangen. Ihr werdet ihm sagen, wie Eure Unschuld getäuscht und überfallen wurde und daß Ihr Eure Ehre gerächt, indem Ihr den Betrüger getötet. Und ich, ich wünsche mir kein besseres Glück, als für Euch sterben zu dürfen, da Ihr es mir verweigert, für Euch zu leben.«
    Als Berthe diese zärtlichen, von Tränen überströmten Worte hörte, ließ sie die Waffe fallen; Jehan griff danach und stieß sich den Dolch in die Brust.
    »Solche Seligkeit kann nur mit dem Tod bezahlt werden«, rief er aus und schlug wie leblos hin.

     
    Aufs äußerste erschrocken, rief Berthe ihre Zofe. Das Mädchen kam und ward starr vor Entsetzen, als sie einen blutenden Mann in dem Gemach ihrer Herrin fand. Sie sah Berthe den Toten in ihren Armen aufrichten mit dem Ausruf: »Was habt Ihr getan, mein Freund?« Denn Frau von Bastarnay glaubte nicht anders, als daß Jehan tot sei. Und im Nachschauer ihrer großen Seligkeit dachte sie bei sich, wie schön der Jüngling sein müsse, da ihn jedermann für ein Mädchen gehalten hatte. In ihrem Schmerz erzählte sie alles der Zofe; sie weinte und jammerte, daß sie nun ein Kind empfangen und daß, nicht genug damit, ihr auch noch der Tod eines Menschen auf der Seele liege. Als der arme Verliebte diese Worte hörte, strengte er sich an, ein klein wenig die Augen zu öffnen, so daß man gerade das Weiße darin sehen konnte.

     
    »Herrin, weinet nicht«, tröstete die Zofe, »wir dürfen nicht den Kopf verlieren, sondern müssen daran denken, den hübschen Junker zu retten. Ich will zur alten Fallotte laufen, damit wir keinen Chirurgus oder Apothekarius einzuweihen brauchen. Die Alte versteht sich aufs Hexen und kann gewiß der gnädigen Frau zu Gefallen ein Wunder tun und das Blut stillen.«
    »Eile«, versetzte Berthe, »ich will dir's lohnen und dich lieben für deinen Beistand.«
    Dann kamen Herrin und Dienerin dahin überein, daß sie über das Abenteuer schweigen und den Jüngling vor aller Augen verbergen wollten. Die Zofe aber lief mitten in der Nacht zur alten Fallotte, nachdem Berthe sie bis zur Zugbrücke begleitet hatte, die der Wächter nur auf besonderen Befehl der Schloßfrau herablassen durfte. Bei ihrer Rückkunft fand Berthe ihren schönen Freund ohnmächtig vor Blutverlust, denn der rote Saft wollte noch immer nicht versiegen, sondern rann unablässig aus der Wunde. Berthe trank einige Tropfen davon in dem Gedanken, daß Jehan es für sie vergossen hatte, und gerührt von dieser großen Liebe und in der Angst um sein Leben küßte sie dem schönen Junker zärtlich den Mund, versuchte sein Blut zu stillen, indem sie es mit ihren Tränen vermischte, und flehte ihn an, er solle nicht sterben, sie wolle ihn mit all ihren Kräften lieben, wenn er nur am Leben bleibe. Ihr könnt euch denken, wie überrascht die Schloßherrin war, als sie die Beobachtung machte, daß ein Jüngling wie Jehan, weiß und zart und flaumig, so ganz anders beschaffen sei als ihr alter, gelber, haariger Gemahl. Dieser Unterschied rief ihr zugleich ins Gedächtnis, wie verschieden das Gefühl war, das sie sonst in der Vereinigung der Liebe empfunden hatte, und durch diese Erinnerung aufgestachelt, wurden ihre Küsse immer heftiger, so daß Jehan davon erwachte, sein Blick klarer wurde und er Berthe erkannte, die er mit schwacher Stimme um Verzeihung anflehte. Aber die junge Frau bat ihn, nicht zu

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