Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)
daß ich fürchten muß, Euch auch ein wenig davon abzugeben, was gerad genüg wäre, Euch eine Tochter zu bescheren, während in mir alles abgetötet ist, womit dies Ziel erreicht werden mag.«
»Wäre es möglich?« rief Berthe, »und würde das unter uns nicht Sünde sein?«
»Im Gegenteil, große Freude würde darüber entstehen im Himmel und auf Erden, die Engel würden Euch mit Rosen überschütten und Euch himmlische Melodien spielen.«
»Sagt denn ohne Umschweife, Base«, hauchte Berthe.
»Nun denn, so tat mein Freund, wenn er mich glücklich machen wollte.«
Und indem der schlimme Jehan also sprach, nahm er Berthe in seine Arme und umfaßte sie mit einer Begierde ohnegleichen und waren beide beim Schein der Lampe und in ihrem weißen Gewande nicht anders in dem verdammten Bette, möchte man sagen, als die schlanken zeugenden Organe der Lilie in deren jungfräulichem Kelch.
»Wenn er mich dann«, lispelte der Jüngling, »so in seinen Armen hielt, wie ich Euch jetzt halte und umfasse, so sprach er zu mir mit einer noch viel zärtlicheren Stimme, als die meinige ist. ›Berthe‹, seufzte er, ›ich liebe dich! Ich liebe dich in alle Ewigkeit, du bist mein einziger Schatz, du bist meine Sonne und mein Mond, du bist leuchtender als der Tag; ich liebe dich mehr, ab ich Gott liebe, und ich möchte tausend Tode um dich leiden für die Seligkeit, die du mir gibst.‹ Und dann küßte er mich, aber nicht auf die Art der Ehemänner, welche roh und derb ist, sondern sanft und zärtlich, wie Turteltauben sich küssen.«
Und um Berthe zu beweisen, wieviel angenehmer die Methode der Liebhaber sei als die der Ehemänner, saugte er allen Honig aus Berthes Lippen und lehrte sie, wie sie mit ihrer zierlichen rosigen Zunge zärtlich reden könne, ohne ein Wort zu sagen. Und sich immer mehr bei diesem Spiel erhitzend, übergoß er zuletzt mit dem Feuer seiner Küsse Hals und Schultern Berthes und die zierlichsten kleinen Brüstchen, an die je eine Mutter ihren Säugling gelegt, daß er sie mit Bissen verwundete. Und wahrlich, wer an des Pagen Platz gewesen wäre, würde sich verachtet haben, wenn er anders gehandelt hätte.
»Ach«, sagte Berthe, ganz erglüht vor Liebe, ohne es zu wissen, »das gefällt mir, das muß ich Imbert zeigen.«
»Seid Ihr von Sinnen, Muhme? Ihr dürft Eurem alten Manne hiervon nichts sagen. Kann er seine rauhen Hände zart und glatt machen wie die meinigen? Und darf er mit seinem struppigen Bart diesen Kelch der Freuden berühren, diese geheimnisvolle Rose, in der alle unsre Lust eingeschlossen ist, all unser Geist, unser Glück, unsre Seligkeit? Wißt Ihr nicht, daß eine solche Blume sanft geliebkost werden will und nicht gekitzelt und zerzaust mit Hellebarden und Morgensternen? Seht, so lehrte mich mein Freund, der schöne Engländer, die Liebe.«
Und der gute Jüngling machte seine Sache so geschickt, daß die unschuldige Berthe, als er sein stärkstes Gewehrfeuer ins Feld führte, ausrief:
»Oh, meine Muhme! Die Engel sind herniedergekommen! Sie singen so himmlisch, daß ich nichts mehr unterscheide, und ihr Licht blendet mich so, daß ich die Augen schließen muß.«
Und dann vergaß sie sich ganz in ungehemmter Hingebung, und es umbrauste sie wie Musik der Orgel und umflammte sie mit tausend Morgenröten, daß ihr die Sinne vergingen und sie die Lust schlürfte wie berauschenden himmlischen Nektar. Von diesem paradiesischen Traum erwachte sie in den Armen ihres Gefährten.
»Ach, meine Freundin«, seufzte sie, »warum bin ich nicht in England verheiratet worden!«
»Meine schöne Herrin«, sprach Jehan, der glücklich war wie noch nie in seinem Leben, »hier in Frankreich ist das noch viel schöner, denn jetzt seid Ihr mit mir verheiratet, mit einem Manne, der tausend Leben haben möchte, um sie tausendmal für Euch hingeben zu können.«
Da stieß Berthe einen so durchdringenden Schrei aus, daß die Wände zitterten; sie sprang aus dem Bette, warf sich vor ihrem Betstuhl in die Knie, rang die Hände und weinte heißere und bitterere Tränen als alle heiligen Magdalenen zusammen.
»Ach, wäre ich tot!« jammerte sie. »Ein Teufel mit dem Gesicht eines Engels hat mich hintergangen. Ich bin verloren. Ich habe ein Kind empfangen und fühlte mich nicht schuldiger als du, o Heilige Jungfrau. Bitte für mich an Gottes Thron, daß er mir Gnade schenke, wenn mich die Menschen verdammen, oder laß mich sterben, damit ich nicht vor Scham vergehen muß vor meinem Herrn und
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