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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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entdeckte.
    »Er gleicht ganz mir«, sagte Berthe eines Tags, als er wieder einige Anzüglichkeiten hierüber fallenließ. »Wißt Ihr nicht, daß in den guten Ehen die Kinder abwechselnd dem Vater und der Mutter gleichen? Jedes kommt an die Reihe. Manchmal vermischt es sich auch, wie die Frau ihr eignes Blut mit dem des Manns vermischt. Auch sagen die Doktoren, daß es Kinder gibt, die keinem der beiden Eltern im geringsten nachschlagen, welche geheimnisvolle Sache eine Laune des lieben Gottes sei.«
    »Ihr seid ja sehr gelehrt worden, mein Liebchen«, antwortete Bastarnay. »Ich für meinen Teil bin ganz unwissend, aber ich halte daran fest, daß, wenn ein Kind einem Mönch ähnlich sieht ...«
    »So müßte es das Kind des Mönchs sein?« versetzte Berthe, indem sie ihrem Gatten furchtlos ins Gesicht schaute, trotzdem ihr Blut in den Adern zu Eis zu erstarren drohte.
    Der gute Ehemann war schon fast überzeugt, einer verleumderischen Lüge zum Opfer gefallen zu sein. Er verfluchte heimlich die Zofe, versteifte sich aber nur noch hartnäckiger darauf, dem Geheimnis auf den Grund zu kommen.
    Als der Tag, der dem Dominus Prior gehörte, nahe bevorstand, schrieb Berthe, ängstlich gemacht durch die Worte ihres Gemahls, dem Freunde einen Brief, worin sie ihn bat, er möge ihr die Liebe tun und dieses Jahr fernbleiben; den Grund dafür werde sie ihm später erklären. Darauf begab sie sich zur alten Fallotte, die den Brief überbringen sollte, und glaubte für diesmal der Gefahr glücklich vorgebeugt zu haben. Sie beglückwünschte sich um so mehr zu ihrem Schritt, als ihr Gemahl, der sonst um diese Zeit in die Provinz auf seine Güter zu reisen pflegte, sich nun unerwartet zu Hause hielt, indem er die Vorbereitungen zum Aufstand des Prinzen Ludwig gegen den König vorschützte, als welcher, wie jedermann weiß, an den Folgen der erneuten Empörung starb. Dieser Grund schien so glaubhaft, daß Berthe sich dabei beruhigte und sich still und abwartend verhielt. An dem bestimmten Tage kam der Prior wie sonst. Berthe, erbleichend, fragte, ob er ihre Botschaft nicht bekommen habe?
    »Welche Botschaft?«
    »So sind wir also verloren, alle drei, du, das Kind und ich.« »Warum?« entgegnete der Prior.
    »Ich weiß nur, daß unsre letzte Stunde heute gekommen ist.« Sie fragte ihren geliebten Sohn, wo der Herr von Bastarnay sich aufhalte, worauf der Knabe antwortete, daß sein Vater durch einen Eilboten nach Loches gerufen worden und erst zum Nachtmahl zurückkehren werde. Als Dominus Johannes dies hörte, bestand er darauf, der Bitten seiner Freundin nicht achtend, den Tag mit ihr und ihrem lieben Kinde zu verbringen. Nachdem nun seit der Geburt ihres Sohnes, so meinte er, zwölf Jahre ohne Unheil verflossen seien, könne ihnen keine Gefahr mehr drohen durch eine Zofe oder wen. Aber als Berthe ihm den Grund ihrer Befürchtungen auseinandergesetzt hatte, ward auch Johannes unruhig. Die beiden blieben wie immer zur Feier dieses Jahrtags die ganze Zeit auf Berthes Zimmer und nahmen früh das Mittagsmahl ein. Dom Johannes suchte Berthes Mut zu stärken und die Freundin zu beruhigen. Er verwies sie auf die großen Privilegien der Kirche. Der Herr von Bastarnay, sagte er, der jetzt ohnedies bei Hof nicht gut angeschrieben sei, werde sich hüten, an einen Würdenträger von Marmoustiers Hand anzulegen.
    So setzten sie sich also zu Tisch, während der Knabe im Schloßhof einen jungen spanischen Hengst tummelte, ein Geschenk des Herzogs Karl von Burgund an den Herrn von Bastarnay, und sein lebhaftes Spiel nicht lassen wollte, trotz der wiederholten Bitten seiner Mutter. Und da die jungen Knaben sich gern groß machen und die Knappen sich gern als Ritter dünken, so wollte auch der Kleine dem Mönch zeigen, was er inzwischen gelernt hatte. Er ließ den Hengst die kühnsten Sprünge machen und blieb dabei so fest im Sattel sitzen wie der älteste Landsknecht.
    »Laßt ihn gewähren, teure Freundin«, sagte der Mönch zu Berthe; »die unfolgsamen Kinder werden später starke Männer.«
    Berthe aß wenig, so beklommen und eng war ihr ums Herz. Der Mönch aber, in allen Wissenschaften bewandert, fühlte schon beim ersten Bissen in seinem Magen ein eigentümliches Gefühl und in seinem Gaumen einen bittern Geschmack, was ihm sofort den Gedanken eingab, daß ihnen der Herr von Bastarnay das Mahl gewürzt habe. Leider hatte Berthe schon gegessen, als er dazu kam, seinen Verdacht auszusprechen. Er faßte das Tischtuch mitsamt den Schüsseln und

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