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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Körper in feierlicher Prozession nach ihrem Kloster zu geleiten. Als der Herr von Bastarnay dies sah, fand er gerade noch Zeit, mit seinem Kriegsvolk abzuziehen, um alles hinter sich im Stiche zu lassen und sich zu seinem Herrn, dem Kronprinzen Ludwig, zu schlagen.
    Die arme Berthe, hinter ihrem Sohne im Sattel sitzend, begab sich zunächst nach Schloß Montbazon, um ihrem Vater Lebewohl zu sagen. Sie erklärte ihm, daß sie sterben wolle an ihrem Kummer, und alle Tröstungen der Verwandten waren nicht imstande, ihrem Herzen den Frieden zu geben. Der alte Herr von Rohan schenkte seinem Enkel eine schöne Rüstung mit den Worten, daß er durch seinen Mut und ruhmreiche Taten die Schuld der Mutter zu ewigem Ruhme wandeln solle. Berthe selber hatte keinen andern Gedanken in das Herz ihres Sohns gepflanzt, als das Übel wiedergutzumachen und dadurch sie und den Prior von der ewigen Verdammung zu retten.
    Beide, Mutter und Sohn, machten sich nun nach der Gegend auf, wo die Rebellion des Thronfolgers wider seinen Vater ihren Kriegsschauplatz hatte, ob sich vielleicht dort Gelegenheit böte, daß sie dem Herrn von Bastarnay einen Dienst leisteten, dem er sein Leben, ja viel mehr als sein Leben zu verdanken haben würde.
    Die Flammen der Empörung hatten, wie man weiß, außer andern Orten besonders die Umgebung von Bordeaux und die Provinz Angoulême ergriffen, wo große Schlachten zwischen den Empörern und der königlichen Truppenmacht bevorstanden.

     
    Die Hauptschlacht, die den Krieg beendete, fand zwischen Ruffec und Angoulême statt, woselbst auch die Gefangenen gerichtet und gehängt wurden. Diese Schlacht, die der alte Bastarnay anführte, fiel in den November, ungefähr sieben Monate nach der Ermordung des Priors Dominus Johannes. Der Graf wußte nur zu gut, daß er als erster Ratgeber des aufrührerischen Prinzen auf der Liste derer stand, die zum Tod durch das Schwert verurteilt waren.

     
    Es geschah nun, daß er sich plötzlich in einigem Abstand von den Seinigen von sechs Bewaffneten umringt sah, die ihn zu ergreifen suchten. Er konnte nicht zweifeln, daß man ihn lebend fangen wolle, um ihm den Prozeß zu machen, seine Güter einzuziehen und seinen Namen für immer auszulöschen aus dem Buch des Adels. Der edle Herr wollte aber lieber auf dem Schlachtfeld sterben, um seinen Namen zu retten und seinem Sohne die Herrschaft zu erhalten. Er verteidigte sich mit der Tapferkeit eines Löwen. Ungeachtet ihrer Überzahl mußten die Soldaten, als sie drei ihrer Leute fallen sahen, Bastarnay härter angehen, und nachdem sie seine zwei Knappen und einen Schildträger niedergestreckt hatten, warfen sie sich, auf die Gefahr hin, ihn zu töten, allesamt auf die Person des Grafen. In dieser äußersten Gefahr stürzte sich ein Knappe mit den Farben derer von Rohan wie ein Blitz auf die Angreifenden, und mit dem Rufe: »Gott schütze die Bastarnay!« tötete er ihrer zwei. Dem dritten, der den Grafen schon gefaßt hatte, versetzte er einen so wohlgezielten Stoß, daß er sein Opfer freigeben und sich gegen den neuen Angreifer wenden mußte, dem er, der schützenden Halsberge zum Trotz, seinen Dolch in die Gurgel stach. Bastarnay war ein zu ritterlicher Mann, als daß er geflohen wäre, ohne dem Befreier seines Hauses, den er erschlagen am Boden sah, zu Hilfe zu kommen. Mit einem kräftigen Hieb stieß er den Landsknecht zur Seite, hob den Knappen quer auf sein Pferd und gewann das freie Feld, wo er von einem unbekannten Führer zu dem Schloß von Rochefoucauld geleitet wurde.

     
    Dort langte er mitten in der Nacht an und fand in der großen Halle Berthe von Rohan, die ihm diese Zuflucht bereitet hatte. Als er seinem Retter den Panzer löste, erkannte er den Sohn des Priors, der seinen letzten Seufzer aushauchte, indem er mit Anstrengung zum letztenmal seine Mutter küßte mit dem Ausruf: »Mutter, unsre Schuld ist bezahlt.«
    Als Berthe diese Worte hörte, preßte sie den Körper des Kindes ihrer Liebe ans Herz und verband sich so auf ewig mit ihm, da sie in demselben Augenblicke tot mit dem toten Sohne zusammenbrach, ohne Bastarnays Verzeihung und Reue abzuwarten.
    Dieses erschütternde Erlebnis beschleunigte sehr den Tod des armen Edelmanns, der den Tag der Krönung unsers Königs Ludwig des Elften nicht mehr erlebte. Er stiftete eine tägliche Messe in der Kirche von La Rochefoucauld, wo er Mutter und Sohn in einem Grab bestatten und einen Stein setzen ließ, worauf in lateinischer Schrift viel Rühmliches über ihr

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