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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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morgen?« Und hörte die Stimme noch andre zärtliche Worte sprechen, närrische, verrückte Worte, wie sie Liebende im Scherz gebrauchen, wenn sie von dieser Laterne reden, die die wahre Sonne der Liebe ist in allen Ländern und der sie darum tausend Kosenamen geben und sie vergleichen oder gleichsetzen allen schönen Dingen dieser Erde. Sie nennen sie und reden sie an: mein Granatapfel, meine Rose, meine Muschel, mein Zuckerschneck, mein süßes Mäuschen, mein Schatzkämmerlein, Ankergrund meiner Liebe ... Ja, noch ketzerlichere und fast gotteslästerliche Ausdrücke gebrauchen einige. Fragt nur, wenn ihr mir nicht glauben wollt!
    Unterdessen war die Spanierin herbeigeschlichen und gab durch Zeichen zu verstehen, daß der König da sei.
    »Horcht er?« fragte die Königin.
    »Ja!«
    »Späht er?«
    »Ja!«
    »Wer hat ihn hergeführt?«
    »Pezzara.«
    »Rufe mir den Hofmedikus und bringe Gautier unverzüglich nach seinen Gemächern.«
    Und in weniger Zeit, als ein Armer gebraucht hätte, um sein Vaterunser zu beten, hüllte die Königin ihre Laterne so in blutiges Verbandzeug, daß man glauben mußte, sie leide an einer Wunde und bösartigen Entzündung. Der König aber, voll Wut über das Gehörte, drückte jetzt die Tür ein und erschien gleichzeitig mit dem Arzneikünstler in der Kammer. Er fand die Königin noch in derselben Lage, wie er sie durch den Spalt gesehen, und der Meister Physikus, die Hand auf dem Verband, sagte scherzend: »Na, wie geht es der Kleinen heute morgen?« Und was sonst dergleichen Worte mehr sind, womit die Herren Medikusse den Frauen gegenüber sich lieb Kind machen und in Zierlichkeiten der Rede verfallen, indem sie Zierlichkeiten behandeln. Seine Stimme war die gleiche wie diejenige, die der König zuvor gehört hatte.
    Das machte den Fürsten kleinlaut. Er stand da wie ein ertappter Dieb. Die Königin aber, rot vor Scham, richtete sich auf und fragte mit zorniger Entrüstung, was für ein Mann es wage, zu einer solchen Stunde vor ihr zu erscheinen. Und den König erblickend, brach sie in heftige Klagen und Beschuldigungen aus.
    »Ah, gestrenger Herr«, rief sie, »Ihr entdeckt nun, was ich Euch seit langer Zeit und mit soviel Sorgfalt zu verhehlen suchte. Erratet Ihr, was die Ursache meines Übels sei? Scham und Stolz verbieten mir, davon zu sprechen, wie von den Verbänden und Medizinen, bestimmt, das entzündete Geblüt zu beruhigen und zu verteilen. Seht, um meine Ehre und die Eurige zu schonen, war ich genötigt, die häßliche Krankheit bei meiner guten Donna Miraflor Euch und der Welt zu verbergen.«
    Auch der Meister Physikus sagte sein Sprüchlein. Mit hundert lateinischen Zitationen, die er wie Körner einer göttlichen Weisheit aus den Schriften des Hippokrates, des Galenus, der Schule von Salerno und andern ausgezogen hatte, demonstrierte er dem König, wie das Brachliegen des Campi veneris immer von ärgerlichen Konsequenzen und fatalen Erscheinungen begleitet sei, die bei einer Königin mit spanischem Geblüt doppelt gefährlich wären und bei eintretenden Komplikationen sogar zum Tode fuhren könnten. Das alles trug er mit einer langsamen und hochernsten Feierlichkeit vor und fand immer neue Argumente und Zitate, um dem Herrn Gautier Zeit zu lassen, sich in seiner Kammer einzuriegeln. Darauf nahm die Königin noch einmal das Wort und dann den Arm des Königs, um, wie sie sagte, die kranke spanische Dame nicht zu inkommodieren, die sonst die Königin, um ärgerlichem Gerede vorzubeugen, in ihre Gemächer zurückzugeleiten pflegte. Als sie durch den Korridor schritten, an dem die Gemächer des Herrn Gautier lagen, scherzte die Königin:
    »Ihr solltet«, sagte sie zum König, »diesem Herrn von Montsoreau einen Schabernack antun. Ich wette, daß er nicht zu Hause ist, sondern irgendwo zwischen den Tüchern einer schönen Dame steckt. Er wird uns noch eine rechte Stänkerei anrichten. Wenn man mir gefolgt hätte, wäre er längst nicht mehr auf der Insel.«
    Leufried trat rasch bei Gautier ein und fand ihn im tiefsten Schlaf, schnarchend wie ein Domherr in seinem Chorstuhl. In ihren Gemächern angelangt, hielt die Königin mit allen Mitteln ihren Herrn Gemahl bei sich zurück und schickte heimlich einen Pagen ab, um den Herzog von Cataneo herbeizurufen. Sie saß noch mit dem König beim Frühstück, als man ihr zuflüsterte, der Herzog harre ihres Befehles. Unter einem leichten Vorwand trat sie in den Saal hinaus.

     
    »Mein lieber Herzog«, sprach sie, »laßt sofort

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