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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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der Fürst bei Aufhebung der Tafel laut gestand, seit lange keine so lustige Essensstunde verbracht zu haben.

     
    Begab sich hierauf die ganze Hofgesellschaft in die Gärten, die die schönsten waren, so man auf der Welt finden konnte, und unter dem Vorwand einer besonderen Aufmerksamkeit und Höflichkeit führte die Königin den fremden Gast in einen Orangenhain, dessen Blüten einen süßen und bestrickenden Wohlgeruch verbreiteten.
    »Schöne und edle Königin«, begann alsbald der fränkische Ritter, »ich habe in allen Ländern und an allen Höfen die Erfahrung gemacht, daß nichts der Liebe so gefährlich, ja tödlich ist als die verdammte höfische Komödie und Kurmacherei, die man dabei aufzuführen pflegt. Wenn Ihr also Vertrauen auf mich habt, so laßt uns handeln als zwei Menschen, die über alle Kleinlichkeiten erhaben sind, und von unsrer Liebe fernhalten alle unnützlichen Grimassen und Firlefanzereien. Auf solche Weise werden wir zugleich die äußere Gefahr vermeiden, allen Verdacht von uns ablenken und uns ungestört unsers Glückes erfreuen, solange es gehen mag. Dieser Art zu handeln ist allein einer Königin würdig, wenn sie nicht dazu verdammt sein will, die Liebe für immer zu entbehren.«
    »Es scheint mir«, antwortete sie, »daß Ihr wohlgesprochen habt; aber ich bin Neuling und ohne Erfahrung, ich weiß nicht Mittel und Weg.«
    »Habt Ihr unter Euern Frauen eine, auf die Ihr Euch verlassen könnt?«
    »Ja«, erwiderte sie, »es lebt am Hofe eine Dame, die mit mir aus Hispanien herübergekommen ist und die sich auf einen glühenden Rost legte aus Liebe zu mir, wie Sankt Lorenz getan aus Liebe zu Gott; aber sie ist immer kränklich.«
    »Und darum besucht Ihr sie hie und da?« fragte Gautier.
    »Ja; manchmal sogar bei Nacht.«
    »Welch ein Glück!« rief Gautier; »dafür werde ich der heiligen Rosalie, der Patronin von Sizilien, einen goldenen Altar stiften.«
    »O Jesus«, rief die Königin aus, »so werde ich doppelt glücklich sein, da mein Herzgeliebter so fromm ist.«
    »Ich bin es zwiefach, teure Herrin«, erwiderte er; »denn ich verehre eine Königin im Himmel und eine auf Erden, von denen zum Glück keine auf die andre eifersüchtig zu sein braucht.«
    Diese galante Rede rührte die Königin über die Maßen, und wenig hätte gefehlt, daß sie sich zur Flucht entschlossen und mit dem leckeren Vogel davongeflogen wäre.
    »Die Jungfrau Maria«, sagte sie, »ist mächtig im Himmel; möge ich es werden wie sie durch die Liebe.«
    ›Hm, sie reden von der Jungfrau Maria‹, sprach der König bei sich, der in die Nähe getreten war, um zu lauschen; denn ein sizilianischer Höfling, den die plötzliche Gunst des verfluchten Franken wurmte, hatte dem Fürsten den Floh der Eifersucht ins Ohr gesetzt.
    Also nahmen die Königin und der Ritter ihre Maßregeln, und alles wurde aufs feinste eingefädelt, damit der König seinen neuen unsichtbaren Schmuck nicht länger entbehre.
    Dann gesellte sich Gautier zur Hofgesellschaft, und alle fanden an ihm ein großes Wohlgefallen. Zurückgekehrt vom Hofe, erzählte er seinem Freund Pezzara, daß ihrer beider Glück gemacht sei und daß er morgen bei der Königin schlafen werde. Über diesen raschen Gang der Dinge war der Venezianer nicht wenig erstaunt; aber als guter Freund sorgte er für feine Spezereien, Brabanter Leinwand und kostbare Gewänder jeder Art, einer Königin würdig, und versah damit seinen geliebten Bruder.
    »Oh, mein Freund«, sprach er, »bist du auch sicher, nicht auszugleiten auf dem schlüpfrigen Weg, sondern fest und aufrecht zu bleiben und der Königin solche Feste zu geben in ihrem Schlosse Garladin, daß sie sich für immer an deinem Stab halten und festklammern wird wie ein Schiffbrüchiger an einem Balken?«
    »Da sei ohne Sorge«, antwortete lachend der fränkische Ritter; »ich verfüge über die Reserven und Ersparnisse der Reise, und ich will ihr so den Meister zeigen ohne Gnade und Pardon, wie wenn sie eine einfache Magd wäre, und will sie in alle Praktiken unsrer Tourainer Damen einweihen, die mehr von der Liebe wissen als alle andern, weil sie gar nichts sonst zu tun haben, und nur darum von Zeit zu Zeit damit aufhören, um immer wieder von vorn anzufangen. Aber verständigen wir uns. Auf folgende Weise werden wir die Herrschaft über diese Insel erlangen: Ich werde mich der Königin bemächtigen, du des Königs. In den Augen des Hofes müssen wir als Todfeinde erscheinen, und jeder muß für sich eine Partei

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