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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bilden. So werden wir trennen, um zu herrschen. Du wirst meine Feinde aushorchen, ich die deinen, also daß es uns ein leichtes sein wird, ihre Anschläge zu vereiteln. In einigen Tagen muß darum ein heftiger Streit zwischen uns ausbrechen, und der Vorwand soll der sein, daß der König mich zurücksetzt und dir die höchste Gewalt überträgt; denn so will ich es mit Hilfe der Königin einfädeln und ausspinnen.«
    Am andern Tag schlich sich Gautier zu jener Spanierin, nachdem er überall ausgesagt, daß er sie einst in Hispanien gut gekannt, und blieb acht volle Tage in ihren Gemächern. Jeder kann sich leicht denken, mit wem er hier zusammentraf. Der Tourainer bediente die Königin wie eine Frau, die man liebt, er führte sie in tausend unbekannte Länder der Liebe und überschüttete sie so mit überraschenden Verzückungen und verzückten Überraschungen, lehrte sie solche verliebte Tollheiten und solche tolle Verliebtheiten, daß sie schwur, nur die Franken verstünden, was Liebe sei. Solchergestalt wurde der König dafür gestraft, daß er seinen Weizen in fremden Scheunen ablud und auf dem königlichen Speicher die Spreu aufschüttete. Die Königin aber zeigte sich über die Maßen gerührt von dem unerschöpflichen Reichtum des Herrn von Montsoreau, der durch die Kraft und Fülle seiner Wunder ihre Weibheit quasi vom Tod erweckt hatte, und tat Gelübde, ihn zu lieben in Ewigkeit. Sie verabredeten, daß die hispanische Ehrendame immer krank bleiben und daß kein andrer Mann in ihr Geheimnis eingeweiht werden solle als der Leibmedikus der Königin, der seine Herrin über alles liebte. Durch einen seltsamen Zufall hatten die Stimmbänder seines Kehlkopfs auf ein Haar genau dieselbe Beschaffenheit wie die des Herrn Gautier, so daß infolge dieses Naturspiels die Stimmen der beiden nur schwer zu unterscheiden waren, worüber die Königin sich nicht genug verwundern konnte. Der Leibmedikus schwur bei seinem Leben, den Verliebten treu zur Seite zu stehen; denn längst hatte ihm die Verlassenheit und Verschmähtheit der armen Königin in der Seele leid getan, also daß er sich höllisch freute, endlich zu sehen, wie der Königin, was eine seltene Sache ist, königlich aufgewartet wurde.

     
    Unterdessen war ein Monat verstrichen, und alles ging nach Wunsch der beiden Freunde. Auf geschicktes Betreiben der Königin wurde die ganze Regierungsgewalt von Sizilien allmählich dem Venezianer in die Hände gespielt, während Herr Gautier, den der König um seiner Weltkenntnis willen außerordentlich liebte, leer ausging, da die Königin gegen ihn als einen unwirschen und ungalanten Gesellen einen unbändigen Haß an den Tag legte und sich jeder Gunstbezeigung, die der König ihm zudachte, widersetzte. Als nun der erste Minister des Königs, der Herzog von Cataneo, in Ungnade fiel und Pezzara sein Nachfolger wurde, ohne sich auf dem Gipfel seiner Macht, so schien es, im geringsten an seinen Freund Gautier zu erinnern, schlug dieser einen großen Lärm an über die schwarze Undankbarkeit des Italieners und machte sich damit den gestürzten Cataneo und seinen ganzen Anhang für immer zu ergebenen Freunden. Um diese ganz in Vertrauen einzuwiegen, zettelte er mit ihnen zum Sturze Pezzaras eine heimliche Verschwörung an, und ihr könnt euch denken, wie ernst dieselbe von seiner Seite gemeint war.

     
    Pezzara aber zeigte sich wie alle seine venezianischen Landsleute in der schweren Kunst des Regierens und allem, was damit zusammenhängt, als ein Meister ersten Ranges. Er bewirkte wahre Wunder in der Verwaltung des Königreichs. Er ließ die Häfen ausbessern und lockte durch seine liberalen Einrichtungen die Kaufleute der ganzen Welt herbei, wodurch Geld ins Land floß wie nie zuvor. Er versammelte Künstler aller Nationen in Palermo und veranstaltete Feste und Aufzüge von unerhörter Pracht, daß vom Morgen- und Abendland die Reichen der Erde herbeiströmten. Die Früchte des Landes und der Boden selber stiegen im Preis, der Weizen Siziliens wurde wieder bis nach Asien hin versandt, und der König Leufried galt bald für den glücklichsten König der Christenheit. Der Glanz seines Hofes überstrahlte alle andern Höfe. Dieses alles wurde bewirkt durch das vollkommene Einverständnis zweier Männer. Während der eine die Geschäfte des Staates im großen förderte, wichtige Unternehmungen einleitete, die bewaffnete Macht in Ordnung hielt und besonders darauf dachte, daß der königliche Schatz nie leer wurde, sorgte der

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