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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Flachs geliefert hat, aus dem die gegenwärtige Historie gesponnen ist, will selber zu der Zeit gelebt haben, in der diese Geschichte sich in der Stadt Rouen zugetragen hat, wo man tatsächlich seinen Namen in alten Urkunden und Registern verzeichnet findet. In der Umgebung dieser schönen Stadt, allwo damals der Herzog Richard hofhielt, trieb in jenen Tagen ein Vagabund und Landstreicher sein Wesen, der mit Namen Tryballot hieß, aber meistens ›der Vagabund‹ kurzweg genannt wurde. Obwohl er nie ein andres Dach über seinem Haupte wußte als das Zelt des Himmels und nur Lumpen seinen Leib bedeckten, seine Haut auch gelb war wie Leder von dem Umherstreichen auf Wegen und Stegen, über Berg und Tal, war er doch von jedermann geliebt im ganzen Herzogtum, wo man sich so an ihn gewöhnt hatte, daß man ihn vermißte, wenn einmal ein Monat verging, ohne daß er sich gezeigt mit seinem Napf. »Wo nur der Alte bleiben mag?« hieß es da. »In Vagabundien!« lautete die Antwort.

     
    Dieser Vagierer hatte von seinem Vater, der ebenfalls ein Tryballot und überdies ein fleißiger Bürger und sparsamer Mann war, ein hübsches Vermögen geerbt, das ihm erlaubte, eine Zeitlang in Saus und Braus zu leben, da er sich gerade zu den entgegengesetzten Grundsätzen bekannte als sein Vater, der, wenn er vom Feld heimkehrte, links und rechts am Weg jedes Spreißelchen Holz auflas, jedes dürre Reis und Strohhälmchen zusammenklaubte, weil er sagte, daß ein Mann nicht mit leeren Händen nach Hause kommen soll. So heizte dieser brave Bürger im Winter seine Stube mit dem Holz der Fahrigen und Nachlässigen, und wahrlich, er tat wohl daran. Auch gab er mit seinem Tun ein so anreizendes Beispiel, daß ein Jahr vor seinem Tode auf Weg und Steg nicht das kleinste Holzsplitterchen mehr zu finden war; sein Exempel machte aus den Unordentlichsten umsichtige und sparsame Leute.
    Nur sein Sohn verschmähte es, dem guten Beispiel seines Vaters zu folgen. Aber der Alte hatte ihm das schon in der frühsten Kindheit vorausgesagt. Wenn da der Vater den kleinen Tryballot auf seinen Acker hinausschickte, um die Vögel zu verjagen, die als freche Spitzbuben die Erbsen stibitzten und, was sie nicht fraßen, zu Boden hackten und verdarben, hatte er seine helle Freude an ihnen, an ihren zierlichen Gestalten, ihren hurtigen Bewegungen, wie sie kamen und beladen davonflogen und wiederkamen, und wollte sich ausschütten vor Lachen, wenn sie die Scheuchen und Schlingen, die der Vater gestellt hatte, mit klugen, listigen Blicken beäugelten und geschickt vermieden. Der Vater ärgerte sich grün und gelb, wenn es der Früchte oft drei gestrichene Maß weniger wurden. Es half auch nichts, daß er den Schlingel an den Ohren zog, wenn er ihn hinter einem Haselbusch über allerhand Allotria antraf; der Taugenichts fuhr dennoch fort, die Sitten der Häher, Amseln, Stare, Spatzen und andrer zu studieren, deren Klugheit und Verschmitztheit er nicht genug bewundern konnte. Oft sagte ihm sein Vater, daß er wahrlich gut daran tue, dem Geschmeiß seine Kniffe abzugucken; denn wenn er so fortfahre, werde er in seinen alten Tagen noch einen rechten Spitzbuben abgeben und selber vogelfrei werden, gehetzt und gejagt von den Dienern der Gerechtigkeit. Und diese Prophezeiung wurde wahr, da der junge Tryballot, wie wir schon gesagt haben, in der kürzesten Frist durchbrachte, was sein Vater in langen Jahren zusammengespart hatte. Er hielt es mit den Menschen wie seinerzeit mit den Spatzen, ließ jedermann in seinen Beutel greifen und hatte wieder seine Freude daran, wie sich die Leute drehten und wandten und lieb taten, um ihm seine Groschen abzulausen. Auf diese Weise kam er bald ans Ende. Aber er ließ sich darum keine grauen Haare wachsen, er pflegte zu sagen, seine Seligkeit sei ihm lieber als die Güter dieser Welt. Er hatte nicht umsonst seine Philosophie in der Schule der Vögel studiert.

     
    Nachdem er also eine kurze Zeit in dulci jubilo dahingelebt, hatte er eines Morgens nicht mehr in seinem Vermögen als einen Becher und drei Würfel. Das war genug, um zu trinken und zu spielen. Überdies war es ein leichtes Gepäck, das ihn wenig beschwerte. Er konnte also mit Recht die Großen der Erde bemitleiden, die sich nicht im geringsten in Bewegung setzen können ohne ganze Wagenladungen voll Kisten und Koffern, Schachteln und Schirmen und einen ganzen Troß von Dienervolk.

     
    Tryballot zog aus, seine guten Freunde zu besuchen. Aber er traf keinen, der ihn

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