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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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auf der Bastei einen Galgen errichten und daran den Pezzara aufhängen, ohne daß er Zeit findet, schriftlich oder mündlich ein Wort an den König zu richten. Tel est nôtre bon plaisir, so befehlen wir es Euch.«
    Cataneo machte keinen Kommentar zu dieser Rede. Er ließ Pezzara ergreifen, der gerade wieder davon träumte, wie der König dem von Montsoreau den Kopf vor die Füße legte. Er wurde auf die Bastei geschleppt, wo er im Fensterkreuz der Königin seinen alten Freund Gautier, den König, die Königin und alle Hofleute erblickte, welcher Umstand dem unglücklichen Venezianer den augenscheinlichen Beweis lieferte, daß ein Mann besser daran tut, es mit der Königin zu halten als mit dem König.
    »Mein Freund«, sprach die Königin, indem sie ihren Gemahl in die Fensternische zog, »dort seht Ihr den Verräter, der Euch das Liebste nehmen wollte, das Ihr auf der Welt besitzt; die Beweise dafür werde ich Euch in die Hand geben, sobald Ihr Zeit haben werdet, sie mit Muße zu studieren.«
    Da sah auch Gautier die Vorbereitungen zu der schauerlichen Zeremonie. Er warf sich dem König zu Füßen und bat um Gnade für den, der sein Todfeind war, wovon der König sehr gerührt wurde.
    »Herr von Montsoreau«, sprach die Königin und zeigte ihm ihr zornigstes Gesicht, »Ihr seid sehr kühn, daß Ihr Euch unserm Wunsch und Willen zu widersetzen wagt!« Der König nötigte den Herrn Gautier, sich zu erheben.
    »Ihr seid ein braver Ritter«, sagte er, »aber Ihr habt keine Ahnung, welche schwarze Verräterei der Venezianer gegen Euch angesponnen hat.«
    Also wurde Pezzara zwischen Kopf und Schulter sanft zu Tode gekitzelt, während die Königin ihrem Gemahl dessen Untreue aufdeckte und durch einen Lombarden aus der Stadt die ungeheuren Summen nachrechnen ließ, die der Günstling auf der Bank von Genua niedergelegt hatte und die hierauf der Fürst dem Tourainer schenkte.
    Die schöne und stolze Königin aber fand nicht lange darauf einen harten Tod, wie es in der Geschichte beider Sizilien zu lesen ist. Sie starb nämlich an den Folgen einer schweren Entbindung, wobei sie einem Sohn das Leben schenkte, der ein großer Mann, aber in allen seinen Unternehmungen sehr unglücklich wurde. Der König ließ sich von seinem Hofmedikus leicht überzeugen, daß der Tod seiner Frau in dem verdorbenen Blut der Königin seine Ursache hatte, als welches wieder die Folge war von ihrer langen Enthaltsamkeit und Keuschheit; er fühlte sich darum in hohem Grade schuldig an dem beklagenswerten Ende der tugendsamen Königin und gründete zur Buße und Genugtuung die Madonnenkathedrale, die noch heute die schönste Kirche von Palermo ist. Als der Herr von Montsoreau die Zerknirschung des Königs sah, sagte er ihm offen heraus die Meinung.
    Wenn ein König, so ungefähr lautete seine Rede, sich eine Hispaniolin zur Frau nehme, so müsse er wissen, daß er in ihrem Dienst nicht nachlässig sein dürfe, sintemal die Frauen dieses Landes von einem so heißen Geblüte wären, daß ihrer eine soviel Sorgsamkeit verlange als zehn andre; wenn er aber eine Frau wolle, einfach um sie als Monstranz vor dem Volke aufzustellen, so möge er sie sich aus dem nördlichen Deutschland verschreiben, wo die Frauen herb und frisch sind wie Holzbirnen. Der brave Ritter kehrte mit reichen Gütern nach der Touraine zurück, wo er schöne Tage verlebte, ohne über sein Glück in Sizilien das geringste auszuplaudern. Als der Sohn des Königs seinen berühmten Zug gegen Neapel unternahm, eilte er herbei, um ihm seine Dienste anzubieten, verließ aber Italien von neuem, als der unglückliche Fürst auf den Tod verwundet worden, wie es in den Chroniken zu lesen ist.
    Außer der wichtigen Wahrheit, die in dieser Geschichte zwischen den Zeilen steht und welche wir so ausdrücken wollen, daß das Glück immer ein Weibsen ist und darum öfter von der Frau als vom Manne kommt, daher den Männern mit Recht Frauendienst über Herrendienst geht – lernen wir aus dieser Historie, daß wahrlich die Verschwiegenheit neun Zehntel aller Weisheit ausmacht. Überdies hat der Mönch, der uns diese schöne Historiam überliefert, noch eine weitere und nicht weniger beherzigenswerte Wahrheit hinzugefügt: daß nämlich die Freundschaften, die man um des Vorteils willen schließt, um des Vorteils willen auch wieder gebrochen werden. Möge der Leser von den drei Moralen die auswählen, die ihm am besten in seinen Kram paßt.

Der Vagabund von Rouen

     
    Der alte Chronist, der den

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