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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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würde mich beneiden und glücklich preisen.‹
    Dann heiratete er, machte Hochzeit, koste die Frau Goldschmiedin, kleidete sie über alles kostbar und schön schenkte ihr eine goldene Kette, liebte sie vom Kopf bis zu den Füßen, überließ ihr das ganze Regiment im Hause, die Spartruhe ausgenommen, richtete ihr die obere Stube ein mit schönen Scheiben in den Fenstern, weichen Teppichen auf dem Boden, gewirkten Tapeten an den Wänden, mit einem breiten weiten Bett in einem entzückenden Alkoven, einem Bett mit gedrechselten Säulen und seidenen Vorhängen; er kaufte ihr tausend entzückende Kleinigkeiten, und bis er zu Hause angelangt war, hatte er von ihr ein halbes Dutzend schöner Kinder, die ihm lustig entgegensprangen.
    Doch zu Hause eintretend, ging das ganze geträumte Glück in Rauch auf. Er machte aus seinen melancholischen Einbildungen wieder phantastische Zeichnungen, aus seinen Liebesgedanken entzückende Kleinodien und Juwelen, zur höchsten Lust und Verwunderung der Käufer, die nicht ahnten, wieviel wundersame Frauen und herzige Kinder in all die zarten goldigen Gebilde hineingearbeitet waren.
    Je mehr aber die Kunst des guten Mannes bewundert wurde, desto mehr magerte er ab an seinem Leibe und wurde mutlos in seiner Seele; und wenn Gott nicht endlich Mitleid mit ihm gehabt hätte, wäre er sicher von dieser Welt abgereist, ohne die Liebe auch nur gekannt zu haben; aber er würde sie dann in der andern Welt kennengelernt haben, ohne die Unflätereien der fleischlichen Verhüllung, die ihr so sehr zur Verhäßlichung gereichen, wie Meister Plato autoritativen Angedenkens meint, der aber als blinder Heide und Ketzer sich sicher geirrt hat.
    Genug. Diese Prologe, Vorreden und Weitschweifigkeiten sind wahrhaftig ein unnützer und überflüssiger Ballast, womit ein Erzähler der Übelwollenden wegen seine Geschichten einbündeln muß, wie man ein Kind in Windeln wickelt, das doch nackt viel schöner wäre. Möge der Teufel dieses Gesindel mit seiner dreizinkigen glühenden Gabel kitzeln! Ich will von jetzt an alles kurz und geradeheraus sagen.
    Also hört, was dem Goldschmied in seinem einundvierzigsten Lebensjahre begegnet ist. Eines schönen Tages erging er sich auf dem linken Ufer des Flusses, den man dort die Seine nennt, und während er wieder allerlei kühne Heiratspläne im Kopfe herumwälzte, kam er bis zu jenen Wiesen, die später unter dem Namen der ›Studentenwiesen‹ bekannt waren, damals aber noch zur Domäne der Abtei von Saint-Germain und nicht der Universität gehörten. So fortschreitend, kam der Tourainer ins freie Feld hinaus und sah plötzlich ein armes Mädchen vor sich, das ihn, da er seine besten Sonntagskleider anhatte, ehrfurchtsvoll grüßte.
    »Gott sei mit Euch, edler Herr!« sprach sie demutsvoll. Ihre Stimme klang dabei so sanft und herzlich, daß der Goldschmied wie behext wurde von dieser weiblichen Musik und plötzlich in heftiger Liebe entbrannte für das arme Ding, das in seine Heiratsphantasien und Liebesträume, mit denen er sich gerade wieder beschäftigt hatte, hineinpaßte wie ein Stöpsel in die Flasche. Aber er war bereits an ihr vorüber und wagte nicht umzukehren, denn er war schüchtern wie ein Mädchen, das lieber in seinen Röcken stirbt, als sie zu seiner Lust aufzuheben. Doch als er eine Ackerlänge gegangen, überlegte er sich, daß ein Mann, der seit zehn Jahren Goldschmiedemeister des Königs und Bürger der Stadt Paris, auch längst doppelt so alt war, als ein Hund je alt werden kann, eigentlich keine Angst haben sollte vor einer Weiberschürze, wenn ihm alle Sinne danach standen. Und der seinige stand ihm sehr danach.
    Er kehrte sich also kurzerhand um, wie wenn er sich besonnen hätte, seinem Spaziergang eine andre Richtung zu geben, und kam von neuem auf das Mädchen zu, das seine arme Kuh am Stricke hielt, die an dem Grabenrand längs des Wegs das Gras abweidete.
    »Ei, ei, meine Kleine, du mußt sehr arm sein, daß du dich nicht scheust, Handarbeit zu verrichten am Sonntag. Hast du keine Angst, ins Gefängnis geworfen zu werden?«
    »Edler Herr«, antwortete das Mädchen, indem es die Augen niederschlug, »ich habe nichts zu befürchten, denn wir gehören zur Abtei, und der Herr Abt hat uns die Erlaubnis erteilt, die Kühe nach der Vesper auf die Weide zu führen.«
    »Du liebst also deine Kuh mehr als dein Seelenheil?«
    »Wahrhaftig, edler Herr, unser Vieh ist fast unser halbes Leben.«
    »Ich wundre mich, mein Kind, wenn ich dich so arm sehe,

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