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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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trotzdem darauf gefaßt zu sein, daß das Weibsen ihm entschlüpft und ihn stehenläßt, ohne ihm einen einzigen christlichen Grund dafür anzugeben.
    Hat aber ein Verliebter auch gesprochen wie ein Buch, Sprünge gemacht wie ein Floh, sich gedreht wie ein Kreisel, musiziert wie der König David, tausend Höllenqualen ausgestanden, dem Weibsen eine Säulenhalle der korinthischen Ordnung erbaut, zum Teufel noch einmal, und auch angenommen, das Mädchen sei der sanftesten eine, die Gott in einer guten Laune erschaffen hat: wenn er es nun in etwas versieht, wofür die Dame eine besondere Vorliebe hat, ohne daß es jemand weiß – sie weiß es oft selber nicht, verlangt aber, daß der Verliebte es wisse ... ihr könnt darauf schwören, daß die Schneegans ihn verlassen wird wie einen räudigen Hund. Und sie ist in ihrem Recht, da ist kein Wort zu sagen. Mancher wird dann zornmütig, ja ganz närrisch, mehr als sich sagen läßt, und viele haben sich bei solchen Gelegenheiten das Leben genommen. Darin unterscheidet sich der Mensch vom Tier; denn noch kein Tier hat den Verstand verloren aus Liebeskummer, was hinlänglich beweist, daß die Tiere keine Seele haben.
    Das Amt eines Verliebten ist also das Amt eines Soldaten und Galeerensträflings, eines Marktschreiers und eines Hanswurstes, eines Fürsten und eines Lumpen, eines Königs und eines Bettlers, eines Nichtstuers und eines Vielbeschäftigten, eines Betrogenen und eines Betrügers, eines Großmauls, eines Lügners, eines Spions, eines Hohlkopfs, eines Windmachers, eines Schurken; es ist eine Sache, deren sich der Herr Jesus enthalten hat und die darum alle Menschen eines höheren Geistes verachten; eine Sache, wofür ein Mann, was er auch wert sei, alles ausgeben muß, sein Geld und seine Zeit, sein Blut und sein Leben, seine Reden und seine Gedanken, sein Herz, seine Seele, sein Gehirn. Die Weibsen sind merkwürdig lüstern nach diesen Leckerbissen, sie begnügen sich nicht mit einem Teil davon, und oft hört man sie unter sich sagen, daß sie von einem Manne so gut wie gar nichts haben, wenn sie nicht alles von ihm haben. Ja, es gibt darunter solche Luder, die auch dann noch murren und die Stirne runzeln, wenn ein Mann tausend Dinge für sie getan hat, denn sie sagen, er hätte das tausendundeinste noch tun müssen. Dergestalt sind sie vom Geist der Eroberung und Tyrannei besessen, daß, wenn sie auch alles haben, sie doch noch mehr haben wollen. Besonders in der guten Stadt Paris war das immer ein heiliges und unverbrüchliches Gesetz; denn hier, müßt ihr wissen, erhalten die Weiblein bei der Taufe mehr Salz als sonst in der Welt und sind darum bösartig von Geburt an.
    Der Goldschmied aber, immer über seine Arbeit gebeugt, immer damit beschäftigt, sein Gold und sein Silber anzuglühen, fand keine Zeit, das Feuer der Liebe zu schüren und seine Phantasie daran zu entzünden und zu einem lustigen Feuerwerk oder sonst auf irgendeine Art den Kratzfüßler und Schwerenöter zu machen und vor einer Puppe auf der Lauer zu liegen. Und da in Paris keine Jungfrauen vom Himmel herunter ins Bett der Junggesellen fallen, sowenig als es in den Straßen gebratene Tauben regnet, auch wenn diese Junggesellen königliche Goldschmiede sind, so suchte der Tourainer einstweilen, so gut es ging, sich in sein Schicksal zu fügen, was ihm bei seiner Art Charakter, wie wir oben gesehen haben, leichter gelang als einem andern.
    Der tugendhafte Bürger war dennoch nicht blind für die Gaben und Geschenke der Natur, womit die Damen und Bürgersfrauen, denen er seine Juwelen verkaufte, reich ausgerüstet waren und die sie keineswegs ängstlich versteckten. So geschah es wohl, daß er von manch einer Dame, die ihm nicht ohne weibliche Berechnung schöngetan und den Bart gekraut hatte, ganz aufgeregt nach Hause zurückkehrte, den Kopf voller Phantasien wie ein Dichter und ganz verzweifelt wie ein Kuckuck, der kein Nest findet; er sagte dann zu sich selber:
    ›Ich sollte mir doch eine Frau nehmen. Sie würde mir die Wohnung kehren, die Schüsseln warm stellen, die Wäsche fein bügeln, die Kleider in Ordnung halten, das ganze Haus mit ihrem Gesang erheitern, mich so lange quälen, bis ich ihr alles zu Gefallen täte; und wie alle zu ihren Männern sagen, wenn sie einen Schmuck haben wollen, würde sie auch tun. ›Schau, mein Schatz, mein Liebling‹, würde sie sagen, ›schau doch nur, ist das nicht reizend?‹ Und jedermann in der Nachbarschaft würde von meiner Frau träumen und

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