Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)
sanft und sagt ihnen: »Lest, um zu lachen!« Danach flüstert ihnen noch ein andres Wort ins Ohr, denn wenn die Frauen lachen, sind sie gut aufgelegt, und daß eine schöne Frau gut aufgelegt sei, daran, das brauche ich euch nicht erst auszulegen, ist alles gelegen.
Ausdauernde Liebe
In den ersten Jahren des dreizehnten Jahrhunderts nach der Geburt unsres Herrn und Heilands ereignete sich in der Stadt Paris, und zwar durch einen Mann aus Tours, eine Liebesgeschichte, durch welche die ganze Stadt und auch der königliche Hof in das höchste Erstaunen versetzt wurden. Was die Geistlichkeit anlangt, so wird aus dem, was hier erzählt werden soll, klar, welchen Teil sie an der Geschichte hat, deren Akten und Urkunden durch diese selbe Geistlichkeit auf uns gekommen sind.
Der genannte Mann, von dem gemeinen Volk nur ›der Tourainer‹ genannt, eben weil er aus dieser lustigen Stadt gebürtig war, hieß mit seinem wahren Namen Anselm. Er kehrte auch in seinen alten Tagen in seine Geburtsstadt zurück und wurde Bürgermeister der Gemeinde von Saint-Martin, wie es in den Chroniken der Stadt und der Abtei bezeugt ist; aber zu Paris war er ein edler Goldschmied. Schon in früher Jugend wurde er durch seine Rechtschaffenheit, seinen Fleiß und seine andern Tugenden Bürger der Stadt Paris und Untertan des Königs, dessen Schutz er sich unterstellte nach der Sitte der Zeit.
Er besaß in der Nähe der Kirche von Saint-Leu, an der Straße zum heiligen Dionys ein selbstgebautes Haus frei von aller Zinsbarkeit, wo sich auch seine Werkstatt befand, die von allen Liebhabern schöner Kleinodien viel besucht wurde. Obwohl der Mann ein Tourainer war, was etwas heißen will, und Jugend und Gesundheit nur so zum Verkaufen hatte, hatte er dennoch ein Leben geführt wie ein Heiliger, allen Verführungen dieser Stadt zum Trotz, und hatte all die Tage seiner blühenden Jugend dahingehen lassen, ohne auch nur ein einziges Mal in die bekannte verbotene Frucht zu beißen. Viele werden sagen, dies zu glauben übersteige die Glaubensfähigkeit, die der Mensch von Gott erhalten hat und die es uns ermöglicht, an die heiligen Mysterien der Religion zu glauben, wie es uns befohlen ist. Darum wird es nötig sein, die verborgenen Ursachen dieses keuschen Lebens eines Goldschmieds etwas näher zu beleuchten.
Zunächst müßt ihr bedenken, daß der Mann zu Fuß nach Paris kam, ärmer als Hiob, wie seine alten Freunde zu sagen pflegten, und daß er im Gegensatz zu seinen Landsleuten, die mehr feurig als ausdauernd sind, einen wahrhaft eisernen Charakter besaß und einen Weg, den er einmal eingeschlagen hatte, mit einer Hartnäckigkeit verfolgte wie nur ein Korse seine Rache. Er war Gesell und arbeitete Tag und Nacht; er wurde Meister und arbeitete mehr als je: immer auf der Suche nach neuen Rezepten, nach den verborgensten Geheimnissen seiner Kunst, immer von einer Erfindung zu einer andern Erfindung fortschreitend. Die guten Leute, die nach Feierabend noch einen Gang zu tun hatten, oder Diebe und sonstiges Nachtgevögel sahen hinter dem Fenster des Goldschmieds immer die Lampe brennen und sahen in deren Schein den Goldschmied, der bei verschlossener Tür in Gesellschaft irgendeines Lehrbuben eifriger Beschäftigung oblag. Sie sahen ihn hämmern und meißeln, feilen und ziselieren, löten und schmelzen. Seine Armut hatte ihn fleißig gemacht, sein Fleiß machte ihn weise, seine Weisheit machte ihn reich. Bedenket das wohl, ihr Kinder Adams, die ihr an nichts denkt, als wie ihr euch die unsauberen Gedärme füllen mögt.
Wenn in dem guten Goldschmied sich wohl auch einmal gewisse phantastische Wünsche regten, wie sie von Zeit zu Zeit den armen Menschen, der allein lebt, zu zwicken und zu zwacken pflegen, daß er meint, der Teufel müsse ihn lebendig holen, da hämmerte der Tourainer nur um so wütender auf sein Metall los und hämmerte damit nicht nur die bösen Geister zum Haus hinaus, nämlich aus seinem Körper, der Wohnung seiner Seele, es entstanden zugleich unter seinen Händen die wundervollsten Bildwerke und Figuren in Gold und Silber wie auch schmuckreiche Gefäße in so schönen Formen, daß er die schönen Formen der Frau Venus ganz und gar darüber vergaß. Außerdem war dieser Tourainer ein einfacher Mann, eine Art großes Kind, der vor allem Gott, noch mehr aber die Diebe fürchtete, ja vielleicht noch mehr als diese die großen Herren, über alles aber jede Art Tumult und Unordnung.
Obwohl er zwei Hände hatte,
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