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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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durch ein Leben in Entsagung und Frömmigkeit für die Tollheiten ihrer Mutter abzubüßen. Sie verschrieb all ihr Gut dem Kloster der Klarissinnen und wandte sich an einen Kardinal, damit er sie auf ihren geistlichen Beruf vorbereite. Dieser schlechte Hirte fand sein Schäflein aber so wunderbar schön, daß er versuchte, sie zur Liebe zu zwingen. Um der schmählichen Gewalt zu entgehen, tötete sich Theodora mit einem Dolchstoß. Dieses Abenteuer, das in den Chroniken der Zeit niedergeschrieben ist, machte großes Aufsehen, und die ganze Stadt Rom legte Trauer an um die von allen geliebte Tochter der Frau Imperia.
    Bei dieser Gelegenheit kehrte die stolze Buhlerin in großer Trauer nach Rom zurück, um ihre Tochter zu beweinen. Sie stand damals den Vierzig nahe und, wenn man den Autoren der Zeit Glauben schenken will, auf dem Gipfel ihrer alles bewältigenden Schönheit. Der Schmerz machte sie stolz und abweisend gegen alle, die ihr, um sie zu trösten, von Liebe sprachen. Es verfing auch nicht, daß der Papst selber sich in ihren Palast verfügte, um Worte der Ermahnung an sie zu richten. Sie verharrte in ihrer Trauer und wollte, wie sie sagte, jetzt nur noch Gott gehören, auf den allein ein sicherer Verlaß ist, während all ihre ungezählten Liebhaber, mit Ausnahme eines kleinen Priesters, in den sie einmal wie in einen Gott verliebt war, sie immer nur enttäuscht hätten. Bei diesem Entschluß erzitterten alle, denen sie je angehört, und wahrlich, deren Zahl war nicht klein. Wo zwei sich auf der Straße begegneten, sprachen sie von nichts anderm als von dem Vorhaben der Frau Imperia. »Haben Eure Gnaden es schon gehört? Sie will der Liebe Valet sagen.« Verschiedene Botschafter sandten an ihre Souveräne Berichte über das Ereignis. Der römische Kaiser war außer sich. Er hatte elf Wochen mit Frau Imperia getollt und sie nur verlassen, um in den Krieg zu ziehen; er liebte sie auch noch immer wie den kostbarsten Teil seines Körpers, worunter er, dem Gerede seiner Hofleute zum Trotz, sein Auge verstand, weil dieses, wie er sagte, die teure Imperia zu verschlingen imstande war.
    In der also verzweifelten Notlage ließ der Papst einen spanischen Arzt kommen, den er bei Frau Imperia einführte, und dieser bewies der Dame mit wissenschaftlichen Gründen und mit schwergelehrten und von Zitaten gespickten Redensarten, die von lateinischen und griechischen Brocken nur so strotzten, daß die Schönheit durch Kummer und Tränen notwendig entstellt wird und nichts so tiefe Furchen und Runzeln in das Gesicht einer schönen Frau eingrabe als der Schmerz eines einsamen Herzens. Diese Behauptung wurde von den übrigen Herren Doktoren des heiligen Kollegiums, die sich am Gespräch beteiligten, bestätigt und hatte die Wirkung, daß der Palast der Imperia sich noch an demselbigen Abend nach der Vesper von neuem öffnete.
    Erschienen auch alsbald die jungen Kardinäle, die Gesandten aller fremden Länder und viele reiche Edelleute, um der schönen Herrin aus Jubel über diese Sinnesänderung ein prächtiges Fest zu geben. Das kleine Volk aber zündete Freudenfeuer an, und alles feierte die Rückkehr der Königin der Liebe auf ihren Thron und in ihr Amt. Denn auch die kleinen Handwerker jeder Art und Kunst verehrten die Frau Imperia sehr, die ungeheure Summen spendete zum Bau einer Kirche, in welcher lange Zeit das stolze Grabmal der Theodora zu sehen war, bis es bei der Belagerung Roms durch die Kriegsleute des verräterischen Connetable von Bourbon zerstört, die heilige Leiche geschändet und der schwersilberne und reichvergoldete Sarg, worin die jungfräuliche Theodora gebettet lag, von den rohen Horden zerhackt und in tausend Beutestücke verteilt wurde. Diese Basilika soll, wie man sagt, mehr gekostet haben als die Pyramide, die zu Ehren der Dame Rhodope, einer ägyptischen Kurtisane, achtzehnhundert Jahre vor der Geburt unsers Heilands errichtet wurde, was beweist, wie alt dieses schöne Handwerk ist und wie teuer die weisen Ägypter ihre Freuden bezahlten, die nach und nach derart im Preis und Wert gesunken sind, daß man sich heut in der Rue du Petit-Heuleu zu Paris eine Portion weißes Fleisch schon um einen lumpigen Taler verschaffen kann. Ist das nicht scheußlich?
    Noch nie war Frau Imperia so schön gewesen als bei diesem ersten Feste nach ihrer großen Trauer, und alle Fürsten, Kardinäle und andre erklärten sie der Huldigung des ganzen Erdballs würdig. In Wirklichkeit war auch ein jedes Land durch seinen

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