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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ganze Stadt; denn die beiden Liebenden blieben volle neun Tage und neun Nächte zusammen, aßen und tranken auf ihrem Lager und taten dazwischen nicht viel anders, in ungezählten Malen, wie die wilden Bestien, die im besten Zuge sind, sich gegenseitig aufzufressen, also daß es einem Mirakel gleichzuachten war, wenn sie dennoch beide ganz und heiler Haut blieben. In Rom und in ganz Italien ging von nichts anderm die Rede, zum großen Schmerz vieler, als von diesem Sieg, den der junge Franzose über Frau Imperia davongetragen, die plötzlich von keinem andern Mann mehr etwas wissen wollte und auf alle pfiff, ob es nun Herzöge, Burggrafen, Markgrafen oder einfache Grafen waren, als welchen sie höchstens erlaubte, ihr die Schleppe zu tragen, denn das seien Leute, die man mit Fußtritten behandeln müsse, wenn man selber keine Fußtritte von ihnen haben wolle.
    Die Frau Imperia aber gestand ihren Kammerfrauen, einen richtigen Phönix der Liebe entdeckt zu haben, der, hundert und hundertmal verbrannt, sich immer von neuem und mit verjüngter Kraft aus der Asche erhebe und von dem sie darum nie genug bekommen könne, dessen Augen ihr mehr seien als das ewige Licht und der ihr mit einem so wunderbaren Löffel einen so wunderbaren Trank eingebe, daß ihr Durst immer wieder nach mehr lechze, wieviel sie auch davon trinke. Und also unersättlich müsse sie ihn lieben, gestand sie, und also rückhaltlos, daß sie ihm erlauben würde, ihr Blut zu trinken und ihre Brüste aufzuzehren, die doch die schönsten seien auf der ganzen Welt, ja daß sie für ihn ihre Haare abschneiden würde, davon sie bis jetzt nur ein einziges dem guten Kaiser geschenkt, der es als kostbare Reliquie auf seiner Brust trug. Überhaupt, fügte sie hinzu, rechne sie ihr wahres Leben erst seit jener Nacht, wo dieser göttliche Villiers de l'Isle-Adam ihr zum ersten Male das Herz bewegt und ihr Blut in Aufruhr gebracht. Ihre Worte wurden herumgeredet, und niemand hörte sie ohne Schmerz und Ärger.
    An dem Tage, an dem Frau Imperia sich zum ersten Male wieder öffentlich zeigte, erzählte sie den Damen Roms, daß sie eines bösen Todes sterben müsse und sich, wie einst die Königin Kleopatra, eine Natter oder einen Skorpion an die Brust setzen wolle, wenn der angebetete Junker sie je verlassen sollte.
    Mit ernster Entschlossenheit erklärte sie, den Tollheiten ihres Lebens für immer Lebewohl zu sagen und der Welt jetzt zu zeigen, was Tugend sei, indem sie ihr stolzes Kaiserreich um den kleinen Isle-Adam aufgeben und lieber die letzte Magd ihres Geliebten als die Herrscherin der ganzen Christenheit sein wolle. Eine solche Liebe zu einem einzigen Manne, meinte der englische Kardinal in einer Unterredung mit dem Papst, sei eine Schande und Schimpf für eine Frau, die die Freude und das Glück so vieler gewesen, und der Heilige Vater müßte die Ehe für null und nichtig erklären, für null und nichtig im Quadrat, und durch ein Breve in partibus eine Heirat verbieten, die der schönen Gesellschaft so verhängnisvoll zu werden drohe. Aber die Liebe des armen Mädchens, das jetzt die ganze Misere ihres Lebens eingestand, war so rührend und schön, daß sie auf die schlimmsten Gesellen noch Eindruck machte und alles Gerede verstummen ließ und ein jeder ihr das späte Glück herzlich gönnte.
    An einem Tage der Fasten nun ließ Frau Imperia alle ihre Leute zur Beichte gehen, warf sich selber, zerknirscht in Reue, dem Papst zu Füßen, um die Absolution aller ihrer Sünden zu erlangen in der Hoffnung, damit vom Papst zugleich die Jungfräulichkeit ihrer Seele wiederzuerhalten; denn diese ihrem Freund nicht darbringen zu können machte ihr den größten Kummer. Es erwies sich aber die kirchliche Reinwaschung ganz und gar unnötig. Denn der gute Isle-Adam zeigte sich so fest eingesponnen in dem Netzwerk der Schönen und saß so sicher auf den Leimruten festgepappt, daß er alles im Stiche ließ, um seine Sache allein Gott anheimzustellen, im Stiche ließ seine diplomatischen Aufträge für den König von Frankreich, im Stiche ließ das Fräulein von Montmorency, seine angetraute Braut, kurz alles, um Frau Imperia zu heiraten und mit ihr zu leben und zu sterben. Hier sieht man, welches die Wirkung ist, wenn eine große Buhlerin, erfahren in jeder Wissenschaft auf dem Gebiete der Wollust, sich mit ihren Erfahrungen der tugendhaften Liebe zuwendet.
    Frau Imperia feierte also ihre Hochzeit und gab damit ihren verliebten Schleppenträgern oder schleppentragenden

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