Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
und wie er heimlich weinte, weil seiner Liebe keine Frucht geschenkt ward. Und da in dieser schönen Ehe alles gemeinsam war und keines von beiden auch nur einen Gedanken vor dem andern geheimhalten konnte, so dauerte es nicht lange, daß beide Gatten, wie einst ihr Glück, so jetzt ihren Kummer sich täglich mitteilten und ihre Tränen gar oft in eins zusammenflossen.

     
    Wenn Frau Imperia dem Kind eines Armen begegnete, wollte sie sterben vor heimlichem Schmerz, und ihr Gatte hatte einen ganzen Tag lang an ihr zu trösten. Er befahl zuletzt, weil er den großen Kummer nicht mehr ansehen konnte, daß sich kein Kind mehr in der Nähe der gnädigen Frau zeigen durfte. Er selber gab seiner Gemahlin die sanftesten Worte; er gab ihr zu bedenken, wie oft die Kinder schlecht gerieten, worauf sie aber erwiderte, daß ein Kind von ihnen beiden unmöglich ungeraten sein könne, sondern vollkommen sein werde als nur ein Kind auf der Welt. Dann versetzte er, wie seine Söhne sterben könnten gleich denen seines armen Bruders. Sie aber entgegnete ihm, ihr würden die Kinder ganz gewiß nicht wegsterben, weil sie dieselben ebensowenig von sich lassen wollte als eine Henne ihre Küchlein, nicht von der Schürze sollten sie ihr kommen, kurz, fand auf alles eine Antwort.

     
    Sie ließ jetzt ein altes Weib zu sich rufen, das im Geruch stand, hexen zu können und sich besonders auf diese Art von Geheimwissenschaft zu verstehen. Diese sagte ihr, daß oft Frauen des lustigen Gewerbes dann empfangen hätten, wenn sie die Sache auf Art der Tiere angefangen, als welches die einfachste sei. Also tat die Dame nach dem Rat dieser Vettel in der Art, wie es die Tiere tun; aber ihr Leib verlor seine Schlankheit nicht und blieb fest und weiß wie Marmor. Nun kam sie von neuem auf die Wissenschaft der Doktoren von Paris zurück und zog zuletzt einen berühmten arabischen Arzt zu Rate, der nach Frankreich gekommen war, um seine ganz neue ärztliche Wissenschaft da anzumelden und zu verbreiten.
    Dieser Arzt, der in der Schule eines gewissen Meisters mit Namen Averroës studiert hatte, sagte ihr sehr grausame Worte. Da sie, erklärte er, sich in ihrem Leben zu vielen hingegeben und sich ihrem Handwerk entsprechend keinerlei Beschränkung auferlegt, so habe sie für immer in ihrem Leibe gewisse traubenkammähnliche Gebilde zerstört, an denen Mutter Natur eine Menge Eier befestigt, welche, vom Mann befruchtet, in schützender Hülle ausgebrütet werden, bis daraus das junge Leben bei der Niederkunft hervortritt und sozusagen ausschlüpft, was ganz deutlich bewiesen wird durch die Haut, die den Kopf der neugeborenen Kinder bedeckt. Diese Beweisführung schien so einfältig, dumm und albern, so entgegengesetzt der Heiligen Schrift, wo geschrieben steht, daß der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sei, und so ganz im Widerspruch mit der gesunden Vernunft und den althergebrachten Anschauungen und Lehrmeinungen, daß die Ärzte von Paris sich nicht genug darüber lustig machen konnten. Der morgenländische Arzt verließ daher die Schule von Paris, wo von seinem Meister Averroës von da an nicht mehr die Rede war. Die Pariser Ärzte aber erklärten der Frau Imperia, die in ihrer Bedrängnis nach Paris kam, sie könne nichts Gescheiteres tun, als in ihrer seitherigen Gepflogenheit fortfahren, da sie ja schon einmal während ihres früheren Lebens von dem Kardinal von Ragusa ein Kind empfangen, die schöne Theodora. Solange ihre Natur noch wach sei und der Strom ihres Geblüts noch fließe, solle sie weder ihre Hoffnung noch ihre Bemühungen aufgeben. Dieser Ausspruch schien ihr höchst weise, und sie verdoppelte ihre Anstrengungen, erhielt aber wieder nur Blüten ohne Früchte.
    Da schrieb die betrübte Frau an den Papst, der sie sehr liebte, und vertraute ihm ihren Kummer. Der gute Papst antwortete ihr gnädigst in einem eigenhändigen Schreiben. Wo die menschliche Kunst und Wissenschaft versage, meinte er, sei es an der Zeit, die Hilfe des Himmels und den Beistand des allgütigen Gottes anzuflehen. Darauf wurde von den beiden Gatten beschlossen, barfuß zu Notre-Dame de Liesse zu wallfahrten, als welche bekannt ist für ihren Beistand in den besagten Fällen, und ihr das Gelübde zum Bau einer prächtigen Kathedrale abzulegen, wenn ihnen ein Kind geschenkt würde.
    Kasteite sich so die arme Frau und verdarb ihre schönen Füße, ohne aber etwas andres davonzutragen als einen noch schmerzlicheren Kummer, eine noch bittere Betrübnis, dergestalt,

Weitere Kostenlose Bücher