Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)
Verliebten ein wahrhaft königliches Abschiedsfest, dem sogar italienische Fürsten beiwohnten. Sie besaß, wie man sagte, rund eine Million Gulden in Gold, und in Anbetracht dieser ungeheuren Summe schalt niemand den guten Villiers, vielmehr beglückwünschte ihn jedermann, besonders da es ganz offen zutage lag, daß weder Frau Imperia noch ihr junger Gemahl viel von diesem Reichtum hielten, sondern etwas andres allein und über alles schätzten. Der Papst segnete selber die Ehe ein, er nannte die Rückkehr einer Buhlerin zu Gott und der Tugend auf dem Wege der Heirat einen erhebenden Anblick. Bei diesem letzten Abschiedsfeste, an dem es jedermann vergönnt wurde, die Königin der Schönheit zu sehen, die nun in eine einfache französische Schloßherrin verwandelt werden sollte, gab es natürlich auch viele, die mit Bedauern an die Zeiten toller Lustigkeit dachten, an die Nächte voller Mummenschanz und Maskenscherz, voll Rausch und süßer Liebesseligkeit, was alles nun ein Ende haben mußte. Sie sahen mit Trauer im Herzen das auserlesene Geschöpf, das heute schöner war als selbst im Frühling seines Lebens, so strahlte ihr inneres Glück wie Sonnenschein aus ihren Augen.
All denen, die sich beklagten, daß Frau Imperia den traurigen Gedanken fassen konnte, tugendhaft zu werden, antwortete scherzend die schöne Frau, daß man ihr die wohlverdiente späte Ruhe nicht mißgönnen dürfe, nachdem sie sich vierundzwanzig Jahre lang so ausgiebig für das öffentliche Wohl geopfert habe. Demgegenüber beriefen sich die andern auf die Sonne, die, wenn auch entfernt, doch jedem noch von ihrer Wärme spende, während die schöne Frau Imperia sich ganz und für immer ihren Blicken entziehen wolle; worauf dann die Dame zu verstehen gab, wie sie immer noch ein Lächeln für die Besucher haben werde, die sich mit eignen Augen davon überzeugen wollten, welchergestalt sie ihre Rolle als tugendhafte Frau durchführe. Kein Zweifel, meinte der englische Gesandte, sie ist imstande, alles auf die Spitze zu treiben, sogar die Tugend. Die schöne Imperia hinterließ sodann jedem ihrer Freunde ein Geschenk, vermachte den Armen und Kranken von Rom beträchtliche Summen, überwies dem Kloster, in das ihre Tochter hatte eintreten wollen, einen Teil des von dieser hinterlassenen Vermögens, das vom Kardinal von Ragusa stammte, und mit dem andern Teil baute sie die schon erwähnte Kirche.
Als die beiden Gatten ihre Reise antraten, wurden sie ein großes Stück Weges von trauernden Kavalieren und außerdem von einer großen Menge Volks begleitet, das der Frau Imperia tausend Wünsche für ihr Glück nachrief; denn die schöne Frau hatte sich nur gegen die Großen stolz und hochfahrend gezeigt, gegen die Armen und Geringen war sie immer mild und freundlich gewesen. Ebenso wurde die Königin der Liebe bei ihrer Durchreise in allen Städten Italiens gefeiert, wo das Gerücht von ihrer Bekehrung sich verbreitet hatte; ein jeder war neugierig, die beiden liebenden Gatten, diese seltene Ausnahme von der Regel, zu sehen, und mehrere Fürsten empfingen das schöne Paar ohne Bedenken an ihrem Hofe, da, wie sie sagten, eine solche Ehre dieser Dame wohl gebühre, die den Mut gefunden, auf die Herrschaft über alle Welt zu verzichten, um eine tugendhafte Frau zu werden.
Doch befand sich darunter auch ein boshafter Gesell, der Herzog von Ferrara, der dem jungen Ehemann zu verstehen gab, daß er sein großes Vermögen auf leichte Weise erworben hätte. Bei dieser Beleidigung zeigte Frau Imperia erst ihre große Seele; sie stiftete all ihr Vermögen, das sie in der Zeit ihrer Liebesherrschaft gewonnen hatte, zur Ausschmückung der Kirche Sancta-Maria del Fiore in der Stadt Florenz und behielt nur jene Summe für sich, die ihr der Kaiser aus reiner Freundschaft bei seinem Abschied überwiesen und die nicht unbeträchtlich war. Auf Kosten des Herrn von Este jedoch wurde viel gelacht, da er immer damit geprahlt hatte, eine Kirche bauen zu wollen, trotz der Schäbigkeit seiner Einkünfte. Er soll auch wegen seines Benehmens von seinem Bruder, dem Kardinal, scharf getadelt worden sein. Der Herr von Isle-Adam aber bestand einen Zweikampf mit dem besagten Herzog, der dabei nicht unbedeutend verwundet wurde, und also würde niemand mehr gewagt haben, dem Herrn Villiers oder dessen Gemahlin ein unebenes Wort zu sagen. Die ritterliche und edle Art seines Auftretens bewirkte, daß die beiden Liebenden an jedem Ort, durch den sie reisten, sogar noch festlicher
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