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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Venedig gemacht, nicht größer als eine Bohne, und enthielt ein so scharfes Gift, daß, wenn man es auf den Zähnen zerbiß, der Tod sofort und ganz schmerzlos eintrat. Dieses kostbare Gift gewann der Kardinal von der berühmten Signora Tophana, der beliebtesten Giftmischerin der guten Stadt Rom. Die winzige Glaskugel war in einem Ring verborgen und durch die umgebenden goldenen Hüllen vor jedem Stoß von außen geschützt. Schon oft hatte die arme Imperia das Glas in den Mund genommen, ohne sich entschließen zu können, darauf zu beißen; sie liebte es nur, so mit dem Gedanken an ihren letzten Augenblick zu spielen. Dann gefiel es ihr, noch einmal alle Freuden der Liebe und alle Arten der Lust durchzukosten mit dem Vorsatz, die Phiole zu zerdrücken in dem Augenblick einer allerletzten höchsten und vollkommensten Lust.
    Das arme Geschöpf gab sein Leben dahin in der Nacht des ersten Oktober. In den Wäldern tobte der Sturm, und schwarze Wolken fegten über die heulenden Wipfel; es klang wie das Wehklagen verzweifelter Liebesgeister: »Wehe, die große Wollust ist tot.« So hatten die alten Heidengötter, die bei der Ankunft des Heilands der Menschen sich in ihren Olymp flüchteten, geklagt: »Wehe, der große Pan ist tot.« Auf dem Euböischen Meere war ihr Klagesang von erschrockenen Seefahrern gehört und später von einem Vater der Kirche aufgezeichnet worden.
    Frau Imperia starb, ohne von ihrer Schönheit etwas verloren zu haben; es schien, als ob es Gott gefallen hätte, einmal ein untadeliges Modell eines Frauenkörpers zu schaffen. Sie bewahrte, so wird erzählt, eine wunderbare Frische der Haut, die, scheint es, eine Wirkung der Lust war, deren flammenbeflügelter Genius ihr weinend zur Seite saß.
    Ihr Gatte betrauerte sie tief im Herzen. Er ahnte nicht, daß sie gestorben sei, um ihn von einer unfruchtbaren Frau zu befreien. Der Arzt, der den Körper einbalsamierte, ließ kein Wort über die Todesursache laut werden. Den wahren Hergang entdeckte Isle-Adam sechs Jahre nach seiner Verheiratung mit dem Fräulein von Montmorency, als diese ihm von dem Besuch der Frau Imperia erzählte. Von da an verfiel der arme Edelmann in düstre Melancholie und starb nicht lange darauf, da er nicht Kraft genug besaß, die Erinnerung an die Genüsse der Liebe, die ihm ein unerfahrenes Ding in keiner Weise ersetzen konnte, aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Und so mußte sich das Sagen der Zeit bewahrheiten, daß diese Frau unsterblich sei in dem Herzen, in dem sie einmal ihren Thron aufgeschlagen.
    Diese Geschichte lehrt uns, daß die höchste Tugend nur denen möglich ist, die das Laster gekannt haben; denn unter den vielen tugendhaften und stolzen Frauen werden wenige zu finden sein, die, welche hohe Stufe der Frömmigkeit und Heiligkeit sie auch sonst erreichen mögen, imstande wären, sich auf solche Weise selber zum Opfer zu bringen.

Epilog

     
    Ah, närrische Kleine, die du für Lustigkeit im Hause sorgen solltest, du hast trotz tausend Verboten von neuem in das traurige Füllhorn der Melancholie gegriffen, aus dem du schon ›Die reuige Berthe‹ gefischt, und kommst nun dahergerannt mit aufgelöstem Haar, wie wenn du ein Fähnlein Landsknechte bezwungen hättest. Wo hast du deine Narrenpritsche gelassen und deine zierliche Kappe, daran zwischen einem Kranz von Blumen die goldenen Schellen kicherten; wo deinen Stab mit den bunten Bändern, an deren Enden kostbare Perlen schimmerten; wo hast du sie hingebracht, die lustige Geißel? Wie kannst du dir nur mit salzigen Tränen die hellen Augen verderben, die so drollig zwinkern, wenn du an eine lustige Geschichte denkst, daß selbst Päpste dir deine Reden und dein Hohnlachen verzeihen und ganz bezaubert sind vom Glanz deiner elfenbeinernen Zähne und dem Rosenschimmer deiner Lippen, dergestalt, daß sie gern ihren Pantoffel hingäben allein für ein Lächeln deines Mundes, dieser rotblühenden Blume deines gesunden Blutes. Aber merke dir, lustiges Dirnlein: wenn du immer jung und frisch bleiben willst, so weine nicht mehr. Sei einzig bedacht, zügellos durch die Lüfte zu reiten und deinen chamäleonisch sich wandelnden Schimären keinen andern Zaum anzulegen, als der gewoben ist aus duftigen Rosenwolken. Und bekleide und verhülle die ungestüme Wirklichkeit mit den Farben der Iris, mit den goldenen Rüstungen deiner lachenden Träume, mit azurnen Flügeln, in denen Millionen Pfauenaugen schillern. Wahrhaftig, beim Leib und bei der Liebe, beim Weihrauchfaß und

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