Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)
Tugend noch liebreizender erschien. Der König verlieh seinem ehemaligen Botschafter die vakante Statthalterschaft von Isle de France und gab ihm den Titel eines Vizegrafen von Beaumont, wodurch er Gouverneur der ganzen Provinz wurde und am Hofe eine große Rolle spielte.
Bei Gelegenheit der genannten Jagd war es übrigens, daß das Herz der Dame von Beaumont den ersten Stachel empfing, indem ein Neider ihres Glücks sie scherzend fragte, ob der Herr Gemahl ihr auch von seiner ersten Liebe zu dem Fräulein von Montmorency gesprochen habe. Diese Dame stehe nun im zweiundzwanzigsten Jahre (sie war also bei der Verheiratung ihres ehemaligen Verlobten sechzehn) und weigere sich hartnäckig, eine andre Vermählung zu schließen, sondern verzehre sich in Sehnsucht nach ihrem einstigen Geliebten, den zu vergessen und sich aus dem Sinn zu schlagen ihr eine Unmöglichkeit sei, weshalb das Gerücht gehe, daß sie nächstens in das Kloster von Chelles als Nonne eintreten wolle.
Seit den sechs Jahren ihres Glücks war dies das erstemal, daß der Name des Fräuleins von Montmorency zu Frau Imperias Ohren kam, und sie erkannte daraus, wie sehr sie geliebt wurde. War doch diese ganze Zeit den beiden vergangen wie ein einziger Tag; jede ihrer Nächte war eine neue Hochzeitsnacht für sie, und wenn der Graf, um seine Geschäfte im Lande zu besorgen, sich von seiner Gemahlin trennen mußte, wurden sie beide ganz trübsinnig, so wenig vermochten sie eines ohne das andre zu leben. Aber auch dem Grafen, den der König so sehr liebte, wurde von diesem ein Wort gesagt, das ihm wie ein Dorn im Herzen zurückblieb.
»Du hast keine Kinder?« fragte ihn die Majestät.
»Gnädiger Herr«, antwortete Beaumont, indem er sich zusammennahm wie ein Mann, in dessen schmerzende Wunde man den Finger bohrt, »gnädiger Herr, mein Bruder hat Söhne, und also ist unsre Nachkommenschaft gesichert.«
Nun ereignete es sich aber, daß die beiden Söhne dieses Bruders plötzlich starben, der eine bei einem Turnier durch einen Sturz vom Pferde, der andre an Krankheit, und ihr Vater sich den Tod dieser geliebten Söhne so sehr zu Herzen nahm, daß er aus Kummer darüber in kurzer Zeit dahinsiechte. So wurden Beaumont und die erworbenen Herrschaften Nointel, St. Martin nebst zugehörigen Domänen mit dem benachbarten Isle-Adam vereinigt, und aus dem jüngeren Sohn wurde das Haupt der Familie.
Frau Imperia zählte um diese Zeit fünfundvierzig Jahre und hatte sich jung genug erhalten, um Kinder bekommen zu können. Aber sie bekam keine. Als nun die Nachkommenschaft der Isle-Adam ausgestorben war, setzte sie alles daran, ein Kind zu haben; aber nach verflossenen sieben Jahren mußte sie die letzte Hoffnung auf Empfängnis aufgeben. Sie ließ einen berühmten Arzt von Paris kommen, um ihn über den Grund ihrer Unfruchtbarkeit auszuforschen. Der Meister Medikus gab ihr zu verstehen, daß sie und ihr Gemahl zuviel Vergnügen an der Sache vorwegnähmen und eher wie zwei Verliebte als wie zwei Eheleute miteinander verkehrten, wodurch sie allein schon die Empfängnis verhinderten. Da gab sich die gute Frau alle Mühe, so ruhig zu bleiben wie die Henne unter dem Hahn, denn der Arzneikünstler hatte ihr nahegelegt, wie bei den Tieren, die man eben darum die dummen Tiere nenne, die Befruchtung in der Regel unausbleiblich sei, weil ihre Weibchen nichts wissen von all den kitzeligen Kunstgriffen, frivolen Spielereien und verdächtigen Lesbinereien, mit denen unsre Damen sich den Bissen verfeinern und verzuckern.
Faßte also Frau Imperia den festen Vorsatz, all ihre gelehrten und spitzfindigen Rezepte, an deren Studium und Vervollkommnung sie ihr Leben lang gearbeitet hatte, künftighin ganz und gar außer Brauch zu setzen und sich womöglich nicht anders bei der Sache zu verhalten wie jene deutsche Baronin, die durch ihre Unbeweglichkeit und Unempfindlichkeit ihren Gemahl dahin gebracht, daß er sie zu Tod genudelt, worauf der Papst, zu dem der Baron um der Absolution dieser Sünde willen gewallfahrtet, sein berühmtes Breve erlassen, darin er die Damen des teutonischen Landes ermahnte, sich bei der gewissen Sache wenigstens so weit ihrer Haut zu wehren, um einem derartigen Verbrechen in Zukunft vorzubeugen.
Aber ach! auch diese Bemühung blieb fruchtlos, und die Herrin von Isle-Adam verfiel darüber in eine große Traurigkeit und Mutlosigkeit. Sie beobachtete manchmal ihren Gatten, wie er nachdenklich vor sich hin starrte, wenn er sich allein glaubte,
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