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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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daß ihr die Haare ausgingen und andre weiß und grau wurden. Darüber verlor sie auch noch die letzte Hoffnung und Möglichkeit, ein Kind zu bekommen, und wurde mit der Zeit so lebensfeindlich und schwermütig und bekam eine gelbe Hautfarbe, also daß sie zuletzt mit keinem Tritt mehr ihr Schloß verließ, in welchem sie sich verkroch wie ein Aussätziger in seinem Spittel. Sie näherte sich jetzt den Sechzig, und die Arme verzweifelte um so mehr, als ihr Gatte sie noch immer in gleichem Grade liebte und gut gegen sie war, wie man nur gut sein kann, während sie doch selber, die allzuviel Männern gehört hatte, kaum noch ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen sich imstande fühlte und ihrem Gemahl, wie sie sich verächtlich ausdrückte, nichts mehr sein konnte als eine Bettflasche, um ihm das Eingeweide zu wärmen.
    »Ach«, sagte sie einmal zur Abendstunde, wo sie wieder von diesen quälenden Gedanken verzehrt worden, »trotz Kirche und Kaiser, König und Papst ist die Frau von Isle-Adam doch immer noch die schlimme Imperia.«
    Oft kam eine unbändige Wut über sie, wenn sie ihren blühenden Gemahl ansah, der alles besaß, was er wünschen konnte, große Güter, die königliche Gunst, die schönste Frau der Welt, eine Liebe ohnegleichen, unerhörte Seligkeiten der Liebe, alles, nur keine Nachkommen. Und sie blieb ohnmächtig in dieser für ein Familienoberhaupt so wichtigen Sache. Sie wünschte zu sterben bei dem Gedanken, wie er sich edel und großmütig gegen sie benahm, die so wenig ihre Pflicht erfüllte, da sie ihm kein Kind geschenkt und nun auch keines mehr schenken konnte. Da verbarg sie ihren Schmerz im tiefsten Herzen und tat ein heiliges Gelöbnis, ihrer großen Seele würdig. Um ihren heldenmütigen Vorsatz gut zu Ende zu führen, zeigte sie sich noch liebevoller als sonst, pflegte ihre Schönheit mit äußerster Sorgfalt und gebrauchte alle Mittel, die sie besser kannte als eine, um ihren Körper jung zu erhalten, der noch immer in erstaunlicher Frische glänzte.
    Um diese Zeit war es, daß der Herr von Montmorency die Abneigung gegen die Ehe bei seiner Tochter überwand, dergestalt, daß sie sich mit einem Herrn von Chastillon verlobte. Von dieser Verbindung wurde viel gesprochen, und Frau Imperia sagte sich, daß jetzt die Zeit für sie gekommen sei, zu handeln und ihr Gelübde einzulösen.
    Ihr Kastell lag nur drei Meilen von Montmorency entfernt, und eines Tags, nachdem sie ihren Gatten auf die Jagd geschickt, machte sie sich selber auf den Weg nach dem Schlosse, wo sie wußte, daß sie das Fräulein von Montmorency finden werde. Dort angekommen, beauftragte sie einen Diener, dem Fräulein zu sagen, daß eine Dame sie in einer wichtigen Sache zu sprechen wünsche. Sehr neugierig gemacht durch die Beschreibung des Dieners von der Schönheit, höfischen Art und dem Gefolge der unbekannten Dame, begab sich das Fräulein von Montmorency in großer Eile in den Garten und traf hier ihre Nebenbuhlerin, die sie nie in ihrem Leben gesehen hatte.
    »Meine Teure«, sprach die arme Frau unter Tränen, als sie das Fräulein schön sah, wie sie selber einst war, »ich weiß, daß man Euch zwingen will, den Herrn von Chastillon zu heiraten, trotzdem Ihr in Eurem Herzen niemand liebt als den Herrn Villiers de l'Isle-Adam. Darum bitte ich Euch, glaubt meiner Prophezeiung: der Mann, den Ihr liebt und der in Schlingen gefallen ist, aus denen ein Engel des Himmels sich nicht hätte retten können, wird über kurzem von seiner alten Frau befreit, und Eure treubeständige Liebe wird mit Sieg gekrönt werden, noch ehe im Herbst die Blätter fallen. Habet also den Mut, Euch der geplanten Heirat zu widersetzen, und Ihr werdet Euch Eures Geliebten erfreuen dürfen Euer Leben lang. Schwört mir, den Herrn Villiers über alles zu lieben und niemals einen Kummer dem zu bereiten, der der Beste und Edelste ist unter allen Männern dieses Landes. Bittet ihn, daß er Euch die Geheimsprache der Liebe lehre, die Frau Imperia erfunden hat, damit wird es Euch, jung wie Ihr seid, gelingen, die Erinnerung an diese Frau in seinem Herzen zu töten.«

     
    Das Fräulein von Montmorency war so starr vor Erstaunen, daß sie keine Antwort fand und die Königin der Schönheit, die das Fräulein für eine Art Fee gehalten, sich längst entfernt hatte, bevor ein Arbeiter seine Herrin darüber aufklären konnte, daß die Fremde die Dame von Isle-Adam war. Wie rätselhaft nun dieses ganze Erlebnis schien, erklärte doch das Fräulein ihrem Vater,

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