Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
spaltete dem Mann mit seinem Schwert den Schädel.
Die Angreifer wichen zurück.
»Bringt die Verwundeten von der Mauer«, rief Ananais. »Der Feind wird jeden Moment wieder angreifen.«
Ananais ging an der Mauer entlang und zählte hastig die Toten und Verletzten. Mindestens hundert Krieger würden nicht mehr kämpfen. Noch zehn solcher Angriffe, und sie waren am Ende.
Galand bahnte sich einen Weg von links heran und traf Ananais in der Mitte der Mauer.
»Wir könnten gut noch tausend Mann und eine höhere Mauer brauchen«, sagte Galand mißmutig.
»Sie haben tapfer gekämpft. Beim nächstenmal werden die Verluste geringer sein. Die schwächsten unserer Männer sind bei diesem Ansturm gefallen.«
»Mehr bedeuten sie dir nicht?« fuhr Galand ihn an. »Wesen mit Schwertern? Manche gut, manche schlecht?«
»Für Streitereien haben wir jetzt keine Zeit, Galand!«
»Du machst mich krank!«
»Ich weiß, daß Parsals Tod …«
»Laß mich in Ruhe!« fauchte Galand und drängte sich an ihm vorbei.
»Um was ging es denn?« fragte Thorn, der gerade die Stufen der Brüstung herabkam. Man hatte ihm einen Verband um eine leichte Schnittverletzung am Kopf angelegt.
»Ich weiß es nicht.«
»Ich habe etwas zu essen mitgebracht«, sagte Thorn und reichte Ananais ein mit Weichkäse belegtes Brot. Ananais hatte gerade einen Bissen genommen, als die Trommeln wieder einsetzten.
Vor Sonnenuntergang wurden weitere fünf Angriffe zurückgeschlagen, und auch ein nächtlicher Angriff wurde unter schweren Verlusten für die Drenai abgewehrt.
Ananais blieb bis zwei Stunden vor Morgengrauen auf der Mauer, doch Decado versicherte ihm, daß keine weiteren Angriffe geplant wären, so daß der General schließlich von den Wehrgängen stolperte. Valtaya hatte ein Zimmer im Lazarett, doch er widerstand der Versuchung, zu ihr zu gehen; stattdessen zog er sich unter die Bäume zurück und fiel auf einem grasbewachsenen Hügel in tiefen Schlaf.
Vierhundert Mann waren aus dem Kampf; die Verwundeten überfluteten das Krankenhaus und mußten auf Decken ins Gras zwischen den Gebäuden gebettet werden.
Ananais hatte Verstärkung angefordert – zweihundertfünfzig Mann aus der Reservetruppe.
Wie er von Acuas erfuhr, waren die Verluste in Tarsk geringer gewesen; aber dort hatte es auch nur drei Angriffe gegeben. Turs, der junge Krieger, der die Tarsk-Truppe anführte, hatte sich den Berichten zufolge gut gehalten.
Es war jetzt offensichtlich, daß der Hauptangriff bei Magadon erfolgen sollte. Ananais hoffte, daß die Bastarde noch nicht morgen geschickt würden, doch im Herzen wußte er, daß genau dies geschehen würde.
Gegenüber vom Lazarett warf sich ein junger Krieger unruhig im Schlaf hin und her, als seine Alpträume schlimmer wurden. Plötzlich versteifte er sich, und ein erstickter Schrei erstarb in seiner Kehle. Er öffnete die Augen und richtete sich auf. Dann tastete er nach seinem Messer. Er drehte es um und stieß es sich langsam zwischen den Rippen in die Brust, bis es in sein Herz drang. Dann zog er es heraus und stand auf. Kein Blut rann aus der Wunde …
Langsam ging er zum Lazarett und starrte durch das offene Fenster. Drinnen arbeitete Valtaya noch immer und kämpfte um das Leben der Verwundeten.
Der Mann zog sich vom Fenster in den Wald zurück, wo etwa zweihundert Flüchtlinge ihre provisorischen Zelte aufgeschlagen hatten. An einem Lagerfeuer saß Rayvan, ein Baby auf den Armen, und unterhielt sich mit drei Frauen.
Der tote Mann ging auf sie zu.
Rayvan blickte auf und sah ihn – sie kannte ihn gut.
»Kannst du nicht schlafen, Oroda?«
Er antwortete nicht.
Dann sah Rayvan das Messer und runzelte die Stirn. Als der Mann neben ihr niederkniete, sah sie in seine Augen. Tot und leer starrten sie zurück, ohne etwas zu sehen.
Das Messer blitzte auf. Rayvan wich aus und drehte sich, so daß sie mit ihrem Körper das schlafende Kind schützte. Die Klinge ritzte ihre Hüfte. Sie ließ das Kind los, wehrte den nächsten Stoß mit dem Unterarm ab und hämmerte dem Mann die rechte Faust ans Kinn. Er fiel, stand jedoch wieder auf. Rayvan stemmte sich hoch. Die anderen Frauen kreischten, und das Kind hatte zu schreien angefangen. Als der Tote näherkam, wich Rayvan zurück; sie fühlte, wie Blut an ihrem Bein hinabrann. Dann stürzte ein Mann vor, der einen Schmiedehammer schwang und ihn auf den Schädel des Toten niedersausen ließ. Der Schädel brach, doch der Mann verzog keine Miene.
Ein Pfeil drang dem Toten in
Weitere Kostenlose Bücher