Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
an dem Schwertmeister vorbei und stieg den Hang hinunter. Chareos beobachtete ihn, doch die dunkelgekleidete Gestalt war in den Schatten bald nicht mehr zusehen.
»Es liegt mir fern, die Entscheidung eines Führers zu kritisieren«, sagte Chien-tsu mit einer tiefen Verbeugung, »aber ich glaube nicht, daß man ihm trauen kann.«
»Du bewegst dich lautlos wie ein Schatten, Botschafter.«
»Manchmal ist es besser so. Werden wir ihn wirklich am vereinbarten Ort treffen?«
»Nein. Um dorthin zu gelangen, muß er den Weg nach Süden überqueren. Dort werden wir auf ihn warten.«
»Ausgezeichnet. Es kann sein, Chareos, daß ich euch nicht begleiten werde. Wärst du dann so freundlich, dich um meinen Diener, Oshi, zu kümmern? Bring ihn sicher zu einem Hafen. Ich lasse ihm genügend Geld für seine Rückreise nach Kiatze da.«
»Du hast die Absicht, Jungir Khan zu töten? Allein?«
»Ja. Der Barbar hat die Tochter meines Kaisers schändlich behandelt. Sie hat recht getan, als sie sich das Leben nahm. Jetzt muß ich seins nehmen. Es ist eine Frage von Harmonie und Gleichgewicht.«
»Mir scheint, Botschafter, daß das Leben eines Mannes wie Jungir Khan kein Ausgleich für den Verlust Chien-tsus ist.«
»Ein elegantes Kompliment«, sagte der Kiatze überrascht. Er verbeugte sich tief. »Und doch muß die Tat vollbracht werden. Ich werde mit euch in die Eingeweide der Erde reisen, und ich werde warten, bis die Frau gerettet ist. Danach werde ich den Khan suchen.«
Asta Khan führte die Suchenden zum Rand einer Felsspalte, einem zackigen Riß in der Landschaft. Kiall beugte sich vor und blickte in die tintenschwarze Tiefe hinab.
»Dies ist der Eingang«, erklärte Asta. »Jetzt klettern wir.« Der alte Mann ließ sich geschmeidig in die Hocke fallen und schlitterte über den Rand. Kiall schüttelte den Kopf und schaute Chareos an.
Der Schwertmeister schnallte seinen Schwertgürtel ab und hängte ihn sich über die Schultern, ehe er sich ebenfalls hinhockte und dem Schamanen folgte.
»Warte hier, Oshi«, sagte Chien-tsu. »Falls ich nicht zurückkehre, kümmere dich um den Herrn Chareos. Diene ihm so, wie du mir dienen würdest. Verstehst du?«
»Ja, Herr«, antwortete der alte Diener unglücklich.
Tanaki und Kiall waren die letzten, die mit dem Abstieg in die Finsternis begannen. Hände und Füße fanden guten Halt, und die Kletterei schien weniger gefährlich zu sein, als es zuerst ausgesehen hatte. Asta Khan erreichte den Grund. Er hob die Arme, und ein weiches, gelbes Licht erglühte an den Wänden der Höhle.
»Eine hochschwangere Frau wird diesen Aufstieg nicht schaffen«, sagte Chareos.
»Das braucht sie auch nicht«, erklärte Asta. »Ich habe Vorbereitungen getroffen.« Er ging zur Wand, griff hinter einen vorspringenden Felsen und nahm eine Rolle Hanfseil heraus. »Wenn wir sie haben, klettern wir nach oben und hieven sie hoch.«
Er hängte das Seil über den Felsen und durchquerte die schwach beleuchtete Höhle. Die anderen folgten ihm durch ein Labyrinth von Tunneln, bis sie nach etwa einer halben Stunde einen Punkt erreichten, den das Licht nicht durchdrang.
Asta deutete auf die abschreckende Mauer der Finsternis. »Ihr alle wißt, was hinter diesem Punkt liegt: Es ist die Leere. Ich werde hindurchgehen, mit der Frau Tanaki und dem Krieger Chien-tsu. Du, Chareos, und dein Freund, ihr bleibt hier.«
»Zu welchem Zweck?« fragte Chareos.
»Falls wir verfolgt werden, deckt ihr unseren Rückzug. Die Leere wird zwar viele Verfolger töten, aber einige kommen vielleicht durch. Auch für uns könnten hinter dieser Barriere viele Gefahren lauern. Ihr werdet uns hören und, wenn nötig, zu Hilfe eilen können.«
»Du sagtest, hier gäbe es keinen Silbernen Pfad«, sagte Kiall.
»Wie wollt ihr dann sicher hindurchgehen?«
»Ich bin nicht machtlos, Knabe«, fauchte Asta. »Aber alles Leben ist höchst zerbrechlich. Ein Mann kann nicht ohne Gefahr leben, ganz gleich, wie sehr er es sich auch wünschen mag.« Er wandte sich an Chien und Tanaki. »Zieht eure Schwerter und haltet euch bereit, sie zu benutzen.«
Kiall berührte Tanakis Arm. »Sei vorsichtig«, sagte er, wohl wissend, daß seine Worte lächerlich waren, doch er fand keine anderen. Sie lächelte, beugte sich vor und küßte ihn auf die Wange.
»Jetzt stellt euch dicht neben mich«, befahl Asta, »und legt eure Hände auf meine Schultern.« Chien stand links, Tanaki rechts vom Schamanen. Langsam schritten sie in die Dunkelheit.
Sobald sie
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