Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
Wochen gedauert, obwohl es für uns nur Stunden waren. Ravenna hat nur noch wenige Tage bis zur Geburt.«
»Sollten wir nicht bis nach der Geburt warten?« fragte Harokas.
»Nein!« widersprach Asta. »Jungir wird die Königin und den Erben im ganzen Königreich herumzeigen. Sie werden von Kriegern umgeben sein, und dann gibt es keine Möglichkeit mehr, sich ihnen zu nähern. Nein, es muß jetzt sein. Heute abend.«
Chien sagte nichts, doch seine Augen waren fest auf das Gesicht des Schamanen gerichtet. Dort stand viel zu lesen, was nicht ausgesprochen worden war. Chien mochte Asta Khan nicht, und die Suche bedeutete den Kiatze nichts. Er würde den Suchenden helfen und dann seinen Lohn fordern. Er stand auf und ging zurück zu Oshi. Das Gesicht des alten Mannes war grau, seine Augen weit aufgerissen und starr. Der Marsch durch die Leere hatte ihn entsetzt.
»Schlaf ein Weilchen, Oshi«, sagte Chien, doch der alte Mann schüttelte den Kopf.
»Ich würde von diesem Ort träumen und nie mehr erwachen.«: Chien nickte und zog ein scharfes Messer aus der Scheide in seinem Ärmel. »Dann sei so gut und mach dich nützlich. Rasiere mich.« Der kleine Diener lächelte, »ja, Herr.«
Die Sonne versank hinter dem fernen, nebelverhangenen Horizont, und Chareos blickte auf die unter ihm liegende Stadt, in der die ersten Abendlaternen angezündet worden waren. Er dachte an die Kindheit und an den Traum von Attalis, daß Chareos eines Tages ins Land der Drenai zurückkehren und die verborgene Bronzerüstung finden würde.
»Du wirst ein großer Führer sein, mein Junge. Ich weiß es. Ich kann es in dir sehen.«
Wie wenig du mich gekannt hast, dachte Chareos. Du hast mich durch die Augen der Hoffnung gesehen. Ein großer Führer? Ich habe meine besten Freunde auf eine Suche nach dem Tod mitgenommen und sie fern von zu Hause zurückgelassen, einsam, verloren, ohne Grab.
Und was haben wir erreicht? überlegte er. Wie hat sich die Welt durch den Tod der Freunde verändert?
»Es ist noch nicht vorbei«,
flüsterte eine Stimme in seinen Gedanken.
»Okas?«
fragte er laut. Doch er bekam keine Antwort und fragte sich, ob er sich die Stimme des alten Mannes im Wispern des Abendwindes nur eingebildet hatte. Er schauderte.
Beltzer hatte sie alle gerettet, als er allein in der Dunkelheit des Berges stand. Chareos lächelte, und eine Last fiel von ihm ab. Er schaute zum Himmel hinauf. »Du warst ein streitsüchtiger, stinkender, boshafter Hurensohn, Beltzer. Aber du hast niemals einen Freund im Stich gelassen. Möge die QUELLE dich zu sich nehmen. Möge dein Krug in der Halle der Helden niemals leer werden.«
Er drehte sich um und sah Harokas dicht hinter sich, halb verborgen in den Schatten. Der Meuchelmörder trat einen Schritt vor.
»Es tut mir leid, Chareos. Ich wollte deinen Abschiedsworten nicht lauschen.«
Der Schwertkämpfer zuckte die Achseln. »Es spielt keine Rolle. Was willst du?«
»Hast du vor, in die Stadt zu gehen?«
»Ja.«
Harokas nickte. »Mir scheint, wir bekommen ein ernstes Problem, falls wir Erfolg haben. Wir haben keine Pferde. Selbst wenn du die Frau herausschaffst – wie kommen wir hier weg?«
»Der Zauberer wird sich schon etwas ausdenken«, sagte Chareos unbehaglich.
»Ja, da bin ich sicher«, antwortete Harokas und senkte die Stimme, »aber er spielt sein eigenes Spiel – und ich mag nicht daran denken, was es sein könnte. Aber jedesmal, wenn ich von Nadirschamanen höre, hat es mit Tod und Menschenopfern zu tun. Will er deswegen die Frau? Was meinst du?«
Als Chareos nichts erwiderte, nickte Harokas verständnisvoll. »Ja, ich dachte mir schon, daß du dir Sorgen darüber machst. Hör zu, ich komme nicht mit euch. Ich werde in die Stadt gehen und Ponys kaufen. Man kennt mich hier nicht, und noch liegen wir nicht im Krieg mit den Nadir. Sobald ich die Ponys habe, reite ich nach Süden, schlage einen Bogen und treffe euch hinter dieser Felswand, bei dem Pappelwäldchen.«
Chareos blickte dem Mann tief in die Augen. »Willst du uns verraten, Harokas? Willst du uns für Nadirgold verkaufen?«
Das Gesicht des Meuchelmörders verfinsterte sich, doch er verkniff sich eine zornige Antwort. Statt dessen erwiderte er: »Ich sage das nur für deine Ohren, Schwertmeister: Ich liebe Tanaki. Ich würde für sie sterben. Verstehst du? Euch würde ich ohne zu zögern verkaufen, aber sie nicht.
Niemals.«
»Ich glaube dir«, sagte Chareos. »Gut, treffen wir uns hinter der Felswand.«
Harokas ging
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