Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
Kiall anlegte.
Der Krieger sagte nichts. Er ging zur Wand und rollte sich zum Schlafen auf dem Boden zusammen. Der Anführer der Nadren kam zu Kiall. »Ich heiße Chellin«, sagte er. »Du hast uns Gutes getan. Danke.«
»Ich heiße Kiall.«
»Ich könnte einen Mann wie dich gebrauchen. Wenn du je nach Süden über die Mittleren Gipfel reist, frage nach mir.«
»Ich werde daran denken«, sagte Kiall.
Die Spannung im Raum ließ nach, und die Nadren lehnten sich zurück. Kiall richtete das Feuer und nahm sich Suppe. Er bot auch Maggrig einen Teller an. Doch Maggrig schüttelte den Kopf und lächelte.
Als die Nachmittagssonne ihren langsamen Abstieg zu den Bergen im Westen begann, weckte Chellin seine Männer und ging mit Kiall hinaus in den Sonnenschein. Gerade als sie ihre Waffen wieder aufnahmen, erschienen Chareos, Finn und Beltzer. Chareos hatte seinen Säbel in der Hand.
Kiall winkte ihnen beiläufig zu; dann wandte er sich an Chellin. »Viel Glück auf eurer Reise«, sagte er.
»Dir auch. Ich bin froh, daß der Eiskrieger nicht hier war, als wir kamen.«
Kiall kicherte. »Ich auch.«
Der Krieger, dessen Arm Kiall versorgt hatte, trat auf ihn zu. »Der Schmerz ist fast weg«, sagte er mit ausdrucksloser Miene. Er streckte die Hand aus und gab Kiall einen Goldraq.
»Das ist nicht nötig«, meinte Kiall.
»Doch«, gab der Mann zurück. »Dann stehe ich nicht länger in deiner Schuld. Wenn ich dich das nächste Mal sehe, werde ich dich töten – so, wie du meinen Bruder bei dem Überfall getötet hast.« Als die Nadren verschwunden waren, ging Kiall zurück zur Hütte. Er hörte Chareos lachen, als er die drei Stufen zur Tür hinaufstieg. Drinnen unterhielt Maggrig sie mit der Geschichte von Kiall, dem Pfeil-Zersplitterer. Kiall wurde rot. Chareos stand auf und schlug ihm auf die Schultern.
»Das hast du gut gemacht«, sagte er. »Du hast schnell gedacht und die Situation unter Kontrolle bekommen. Aber wie hast du den Pfeil abgewehrt?«
»Das war Zufall. Ich wußte nicht einmal, daß sie da waren. Ich habe mit dem Säbel geübt und bin herumgefahren. Der Pfeil traf meine Klinge.«
Chareos grinste breit. »Um so besser. Ein Krieger braucht Glück, Kiall, und diese Nadren werden die Geschichte von deiner Kunst weitererzählen. Das kann dir noch sehr nützlich sein. Aber es war ein großes Risiko. Maggrig hat erzählt, wie du ihnen gedroht hast, sie alle eigenhändig zu töten. Laß uns ein Stück gehen.«
Der Schwertmeister und der junge Dorfbewohner wanderten hinaus in den verblassenden Sonnenschein. »Ich bin zufrieden mit dir«, sagte Chareos, »aber ich glaube, es ist an der Zeit, daß ich dir ein wenig Unterricht erteile. Wenn du dann das nächste Mal bewaffneten Männern gegenüberstehst, braucht du sie vielleicht nicht mehr zu täuschen.«
Eine Stunde lang übte Chareos mit dem jungen Mann. Er zeigte ihm, wie er den Säbel halten, wie er sein Handgelenk bewegen, vorstoßen und parieren mußte. Kiall lernte rasch, und seine Reflexe waren gut. Während einer Pause in den Übungen setzten sich Chareos und sein Schüler auf einen umgestürzten Baumstamm.
»Um gut zu sein, braucht es harte Arbeit, Kiall, aber um tödlich zu sein, braucht es ein wenig mehr. Im Schwertkampf liegt eine Magie, die nur wenige beherrschen. Vergiß die Klingen oder die Fußarbeit – der Kampf wird im Kopf entschieden. Ich habe einmal gegen einen Mann gekämpft, der besser war als ich, schneller und stärker. Aber er hat wegen eines Lächelns verloren. Er stieß zu, ich parierte, und als unsere Klingen sich berührten, grinste ich ihn an. Er verlor die Nerven. Vielleicht spürte er, daß ich ihn verspottete. Er griff mich mit rasender Wut an, und ich habe ihn getötet. Laß niemals Zorn oder Wut oder Angst dich beherrschen. Dieser Rat läßt sich leicht geben, aber er ist schwer zu befolgen. Man wird dich ködern wollen, man wird über dich lachen, man wird spotten. Aber das sind alles nur Geräusche, Kiall. Man wird die Menschen verletzen, die du liebst. Man wird alles tun, um dich wütend zu machen oder andere Gefühle hervorzurufen. Doch um zu siegen, mußt du kühl bleiben. Und jetzt laß uns essen – falls die Nadren uns noch Suppe übriggelassen haben.«
Chareos saß unter den Sternen, den Umhang lose um die Schultern gelegt. Er spürte die kühle nächtliche Brise im Gesicht. In der Hütte war alles still, von Beltzers rhythmischem Schnarchen abgesehen. Eine weiße Eule flog über ihm und stieß hinab.
Weitere Kostenlose Bücher